Die Veranstaltung der Europa-Union am 19.04.2017 im Wirtshaus Flößerei in Wolfratshausen war sehr gut besucht. Zu Beginn wurde der Kreisverband der SPD Bad Tölz-Wolfratshausen für seine 40-jährige Mitgliedschaft in der Europa-Union geehrt. Die Vorsitzende, Elke Müller, überreichte die Urkunde an den Kreisvorsitzenden der SPD, Wolfgang Werner. Den Höhepunkt des Programms bildete der Vortrag von Dominik Tomenendal, M.A., Studienleiter der Europäischen Akademie Bayern, zum aktuellen Thema.
Zunächst stellte der Referent mehrere Definitionsversuche des Begriffs ‚Populismus’ vor: Da ist die nicht ganz zufriedenstellende Definition im Duden, wonach die populistische Politik damit begründet wird, die Gunst der Massen zu gewinnen. Es besteht die Ideologie, die davon ausgeht, dass die Gesellschaft in zwei gegensätzliche Gruppen getrennt ist, das reine Volk und die korrupte Elite und dass Politik ein Ausdruck des allgemeinen Volkswillens sein soll. Als Kernelement gilt, dass das Volk die Grundlage der politischen Gemeinschaft ist und seine Souveränität von einigen Akteuren und Prozessen missachtet wird. Diese Missachtung des Volkes geht u.a. vom Finanzkapital oder anderen Eliten aus. „Wir hier unten, gegen die da oben.“

40-jährige Mitgliedschaft der SPD in der Europa-Union. Vorsitzende, Elke Müller, überreicht Urkunde an Kreisvorsitzenden der SPD, Wolfgang Werner

40-jährige Mitgliedschaft der SPD in der Europa-Union. Vorsitzende, Elke Müller, überreicht Urkunde an Kreisvorsitzenden der SPD, Wolfgang Werner

Nach Meinung Tomenendals kann hieraus die negative Haltung gegenüber der EU (die EU als „impotentes Imperium“) abgeleitet werden. Die Internationalisierung der Entscheidungsprozesse, immer mehr wird in Brüssel entschieden, immer mehr in internationalen Netzwerken, der soziale Wandel wird immer stärker beschleunigt, die Menschen sind überfordert, es entstehen Gefühle der Unsicherheit. Somit wächst die Entfremdung zwischen politischen Parteien bzw. Institutionen und der Wählerschaft. Bei der Europawahl 2014 waren rechte Parteien und EU-Kritiker aus folgenden Ländern am stärksten vertreten: Großbritannien (27,5 %), Dänemark (26,6 %), Frankreich (25 %) und Österreich (19,5 %). Sie bestehen seit 2015 als Fraktion ‚Europa der Nationen und der Freiheit (ENF)’ im Europäischen Parlament. Fraktionsvorsitzende ist Marine Le Pen, Frankreich.
Der Front National, die Partei Marine Le Pens, sieht die Globalisierung als Ursache jeglicher sozialer Problematik. Es wird der Austritt aus der EU, NATO und Schengener Abkommen angestrebt sowie eine Wiedereinführung des Franc. Nach den Terroranschlägen befindet sich Frankreich im ‚Krieg gegen den Islamischen Fundamentalismus’, man steht für eine radikale Asyl- und Ausländerpolitik mit einer Reduzierung der jährlichen Einwanderung auf 10.000 Personen sowie die Einführung der Todesstrafe per Referendum. Dies sind die Kernthemen der bevorstehenden Wahl in Frankreich.
Im Vergleich fahren Front National und AfD einen nationalistischen Kurs, beide empfinden, dass der Islam nicht zu ihrem Land gehört und möchten die Sanktionen gegen Russland aufheben. Die AfD möchte mehr Kompetenzen an die Nationalstaaten zurückgeben, ist aber nicht unbedingt für einen Austritt aus der EU. Der FN steht für ein stärkeres Eingreifen des Staates in die Wirtschaft, z.B. Rente ab 60, Verstaatlichung von Banken im Gegensatz zur AfD.
Der Referent führte weiter aus, dass im Unterschied zu den USA, die durch die Regierung Trump einen ökonomischen Nationalismus anstreben, die AfD aufgrund der deutschen Exportabhängigkeit wirtschaftsliberal eingestellt ist. Im sozialen Bereich mobilisiert die AfD bis in die bürgerliche Mittelklasse, Trump stärkt die Arbeiterklasse.
Als Fazit wurde von Tomenendal zum Ausdruck gebracht, dass von den rechtspopulistischen Parteien in Europa, die über alle nationalen Orientierungen hinweg inzwischen gut zusammenarbeiten (nicht zuletzt auch durch die Fraktionsbildung im EU-Parlament) die EU als neues Feindbild genutzt wird. Als bindendes Element kann man hier das Anti-Islam-Thema und die Flüchtlingskrise betrachten. Auf der anderen Seite ist es durch die Unklarheit der US-Außenpolitik durchaus möglich, dass die EU-Staaten enger zusammenrücken.
An das Referat schloss sich noch eine lebhafte Diskussion an.