Die AfD präsentiert sich gern als Partei der Mitte, die Probleme undogmatisch und pragmatisch angeht. Die jüngsten Erfolge bei der Europawahl und bei einigen Landtagswahlen scheinen der AfD Recht zu geben. Wer sich jedoch genauer mit den Positionen der AfD auseinandersetzt, sieht schnell, dass die scheinbar gradlinigen und klaren Positionen der AfD in der Praxis nicht einzuhalten sind.

Wirtschaftspolitik – Armut für Deutschland
Der Euro ist ein zentrales Element der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Vorteile des Euros sind für jeden, der im europäischen Ausland Urlaub macht, sofort spürbar. Vorbei sind die Zeiten, in denen man vor Wechselstuben warten musste und mit einem Bündel unbekannter Banknoten wieder herauskommt. Aber der Euro erleichtert auch gerade den vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt. Durch den Wegfall der Währungsrisiken kann plötzlich jedes kleine Unternehmen von den Möglichkeiten des gemeinsamen Wirtschaftsraums Gebrauch machen. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung1 schätzt, dass das jährliche Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland ohne die gemeinsame Währung rund 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen würde. Über einen Zeitraum von etwas mehr als einer Dekade (2013 bis 2025) wäre Deutschland ohne Euro rund 1,2 Billionen Euro ärmer.
Wer wegen der Finanz- und Staatsschuldenkrise die gemeinsame Währung abschaffen will, verkennt einerseits die Ursachen der Krise, nämlich eine unverantwortliche Haushaltspolitik und ein Verlust von Wettbewerbsfähigkeit einiger Mitgliedsstaaten, und gefährdet andererseits den Wohlstand der Exportnation Deutschland.
Der AfD, die sich stets als Partei der wirtschaftspolitischen Vernunft geriert, ist das egal. In Ihrem Thesenpapier zu Außenpolitik vom 11. September 2013 positioniert sich die AfD ganz klar ablehnend zur gemeinsamen Währung: „Wir sind für die geordnete Auflösung des bestehenden Euro-Währungsgebietes.“ Dabei profitiert kein Land so stark vom gemeinsamen Binnenmarkt und der gemeinsamen Währung wie die Bundesrepublik Deutschland. Gerade die exportstarke bayerische Wirtschaft zieht große Vorteile aus dem nicht mehr vorhandenen Wechselkursrisiken und dem einfachen Zugang zum größten Wirtschaftsraum der Welt.
Natürlich dürfen in der Vergangenheit begangene Fehler in der Wirtschafts- und Währungspolitik nicht klein geredet werden. So wurde zugelassen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgeweicht wurde, wodurch ein kritischer Präzedenzfall gesetzt wurde. Die richtige Lösung besteht aber nicht darin, deswegen den Euro abzuwickeln, wie es die AfD fordert, sondern die zugrundeliegenden Institutionen und Regeln zu 2 stärken. Dies ist in den vergangenen Jahren mit einer Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und besseren Regeln zur wirtschaftspolitischen Koordinierung geschehen.
Die gemeinsame Währung ist ein zentraler Bestandteil und ein wichtiges Symbol der europäischen Integration. Wer sie aufkündigt, stellt damit leichtfertig auch die gesamte europäische Einigung zur Disposition. Dies muss all denen bewusst sein, die eine Auflösung des bestehenden Euro-Währungsgebietes fordern. Dass die Eurozone auch weiterhin attraktiv bleibt, sieht man übrigens daran, dass Anfang 2015 mit Litauen ein weiterer Staat der Eurozone beitritt.
Auch ansonsten ist es mit der wirtschaftspolitischen Kompetenz der AfD nicht weit her. So kritisierte die AfD-Politikerin Beatrix von Storch EZB-Präsident Mario Draghi im Nachgang einer Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments für die Aussage, dass dieser sich dem quantitativen Inflationsziel der EZB von zwei Prozent verpflichtet fühlt.2 Damit steht sie in offenem Widerspruch zu AfD-Chef Bernd Lucke, der kurz zuvor Deflation als eine der größten Gefahren für die Eurozone bezeichnet hat. Daran zeigt sich einmal mehr, dass die AfD von einer konsistenten Wirtschafts- und Währungspolitik weit entfernt ist und vor allem darauf bedacht ist, Ängste zu schüren.

Außenpolitik – Der beste Freund Putins
Die Annexion der Krim und das Schüren von Konflikten in Teilen der Ostukraine durch Russland hat die Region in eine schwere Krise gestürzt und die direkte Nachbarschaft der EU destabilisiert. Für jeden objektiven Beobachter ist klar, dass das russische Vorgehen einen klaren Bruch des Völkerrechts darstellt. Im deutschen Parteienspektrum versuchen lediglich linksextreme und rechtsextreme Parteien sowie die AfD das Vorgehen Russlands zu rechtfertigen. Anstatt für eine klare Reaktion gegen dieses inakzeptable Verhalten zu werben, hat die AfD auf ihrem Parteitag am 22. und 23. März 2014 in Erfurt, der nur eine Woche nach der Annexion der Krim stattfand, beschlossen, dass es mit Blick auf Russland von „größter Bedeutung [ist], keine Sanktionen zu verhängen“.
Die Liebe der AfD zu Putins Russland geht sogar so weit, dass die AfD fordert „Probleme zwischen Russland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion im Einvernehmen mit diesen zu lösen. Das gilt auch für eventuelle Beitritts- oder Assoziierungsgespräche.“3 De facto würde das darauf hinauslaufen, dass sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ihre Außen- und Nachbarschaftspolitik vom Kreml genehmigen lassen würde. Wer sich dergestalt gegen eine aktive europäische Außenpolitik stellt, fordert de facto die Selbstverzwergung Europas.

Forschungsförderung und Industriepolitik – Einsam statt gemeinsam
Im Wahlprogramm für die Europawahl 2014 spricht sich die AfD gegen einen koordinierten europäischen Ansatz in der Forschungspolitik aus. Dort heißt es: „Nach Auffassung der AfD ist weder eine europaweite Forschungspolitik noch eine besondere EU-Verwaltung noch ein dafür zuständiger EU-Kommissar nötig.“ Folgt man diesem Ansatz, verspielt man die größte Chance einer gemeinsamen europäischen Forschungs- und Industriepolitik, nämlich die Bündelung von knappen Ressourcen und Know-How und die damit verbundene Synergieeffekte.
In einem Zeitalter, in dem der Wohlstand unserer alternden Gesellschaft immer mehr von unseren kreativen Ideen und deren Umsetzung abhängt, hat dies langfristig fatale Folgen. Will man mit den gewaltigen Summen, die sowohl die USA wie auch aufstrebende Schwellenländer in Forschung und Entwicklung pumpen, auch nur im Ansatz gleichziehen, braucht es einen europäischen Ansatz. Dies gilt umso mehr für den digitalen Bereich, in dem Europa bereits heute hinterherhinkt. Ohne eine klare europäische forschungs- und energiepolitische Strategie wird es Europa nicht gelingen, in diesem Bereich aufzuholen. Anders als es die AfD behauptet, ist also nicht die europäische Strategie, die Ressourcen bündelt, eine Verschwendung von knappen Ressourcen, sondern das Nebeneinander von 28 nationalen Ansätzen.
Überall dort, wo sich Europa in der Vergangenheit zusammengetan und eine gemeinsame Strategie formuliert hat, haben wir über die Jahre große Erfolge gesehen. So haben wir mit Airbus einen Weltkonzern im Bereich Luft- und Raumfahrt, konnten europäische Standards in der Mobiltelefonie verankern und haben ein eigenes, konkurrenzfähiges Satellitenprogramm. In Bereichen, in denen sich die Mitgliedstaaten der EU nicht zusammengetan haben, haben wir jedoch zu oft gesehen, dass andere Länder die Technologieführerschaft übernommen haben.

Familienbild – Nicht konservativ, sondern reaktionär
Die AfD propagiert ein Familienbild, welches eher den Realitäten des 19. als des 21. Jahrhunderts entspricht. Rund 30% der Kinder leben heute nicht mehr in einer traditionellen Familie – die Stärkung der Ehe als Allheilmittel gegen alle sozialen Probleme des Landes ist vor diesem Hintergrund genauso wenig zeitgemäß wie die Forderung, dass „in erster Linie (…) die Eltern für die Bildung und Erziehung ihrer Kinder verantwortlich“ sind.

Innenpolitik – Die DDR als Vorbild
In einem bemerkenswerten Versuch den Bogen von rechts bis ganz links zu spannen, hat AfD-Parteichef Bernd Lucke im brandenburgischen Landtagswahlkampf behauptet, „die innere Sicherheit war damals besser in der DDR, als das in Westdeutschland der Fall war.“ Einen Staat als Vorbild zu nehmen, dessen eigene Bürger durch eine Mauer am Verlassen des Landes gehindert werden mussten und dessen Geheimpolizei solche Menschen verfolgt und eingesperrt hat, die sich für Demokratie und Freiheit eingesetzt haben, ist ein erstaunlicher Spagat für eine Partei, die stets gern ihr liberales Profil herausstellt. Hier zeigt sich ganz deutlich, wessen Geistes Kind die AfD ist.

Politische Positionierung – die AfD fischt an den Rändern
Die AfD versucht sich stets als liberal-konservative Stimme der Vernunft zu gebärden. Wahr ist: Die AfD fischt fröhlich an den politischen Rändern. Sie schürt auf der einen Seite Ressentiments gegen Ausländer und Asylbewerberheime und biedert sich auf der anderen Seite mit Putin-freundlichen Äußerungen und einem Lob an die Innere Sicherheit der DDR bei der extremen Linken an. So sind mehrere Kandidaten, die für die AfD für die brandenburgische Landtagswahl kandidiert haben, während und nach der Wahl durch Verbindungen zu rechtspopulistischen Parteien bis hin zu antisemitischen Äußerungen aufgefallen.5 Die AfD deckt also das gesamte populistische Spektrum von ganz links bis ganz rechts – eine Partei der Mitte ist Sie nicht.

Fazit: Die AfD ist keine „Alternative für Deutschland“
Die AfD wird ihrem eigenen Namen nicht gerecht. Ihre wirtschafts- und währungspolitischen Konzepte schaden Deutschland und Europa, in der Außen- und Forschungspolitik würde sich Europa selbst verzwergen, die Familienpolitik ist reaktionär, die innenpolitischen Konzepte sind geschichtsvergessen. Kurzum Die AfD ist keine „Alternative für Deutschland“.

11.12.2014

Europa-Union Bayern
Der Landesvorstand

1 http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-3D70310B-5D6B3D30/bst/hs.xsl/nachrichten_116155.htm
2 http://loe.alternativefuer-bw.de/2014/09/frau-von-storch-zur-politik-von-herrn-draghi-herr-draghi-ist-die-groesste-gefahr-fuer-den-wohlstand-der-eu-buerger/
3 http://www.alternativefuer.de/programm-hintergrund/fragen-und-antworten/aussenpolitik
4 AfD-Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2013
5 http://www.welt.de/politik/deutschland/article132743506/Brandenburger-AfD-wirft-Abgeordneten-raus.html