Am Donnerstag, den 22. Oktober hatte der Kreisverband der EUROPA-UNION die SPD-Abgeordnete des Europäischen Parlaments Frau Maria Noichl als Referentin zum Thema: „Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen TTIP“ im Gasthaus „Flößerei“ in Wolfratshausen zu Gast.

Die bemerkenswert gut besuchte Vortragsveranstaltung erklärt, neben der Bekannheit der Referentin, das allgemein große Interesse an diesem Thema in der deutschen Öffentlichkeit.

Die aktuell sehr kontrovers verlaufende Debatte zwischen den Befürwortern und Kritikern in der Politik und unter den Ökonomen sorgt für zusätzliche Verunsicherung. Der Abbau von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen, so die Vertragspartner, fördere das Wachstum und senke die Kosten für die Unternehmen beiderseits des Atlantiks. Allerdings stellt sich die Frage, so Noichl, wie groß die wirtschaftlichen Effekte ausfallen und inwieweit die Arbeitnehmer überhaupt von dem versprochenen Wachstum profitieren werden.

Die Referentin verwies in ihrem äußerst interessanten, argumentationsstarken und lebendigen Vortrag zum besseren Verständnis zunächst auf die grundsätzlichen demokratischen Defizite im europäischen Gesetzgebungsverfahren. Die Regierungschefs der EU haben der Kommission das Verhandlungsmandat erteilt. Es geht um sehr ehrgeizige Liberalisierungsziele wie Investorenschutz, öffentliches Auftragswesen, Lebensmittelgesetze, Gesundheitsstandards u.v.m., d.h. es geht um weit mehr als den Abbau von Zöllen oder die Angleichung von technischen Standards für Außenspiegel und Anhängerkupplungen, erklärte Noichl.

Der volle Umfang des Abkommens liege noch im Dunkeln, denn der fertige Text wird wohl erst in 1 – 2 Jahren vorliegen, und erst dann kann TTIP abschließend bewertet werden. Aber, so Noichl, der Text zu CETA, dem Abkommen zwischen der EU und Kanada ist ausverhandelt und verspricht nichts Gutes. Sonderklagerechte für Konzerne, ISDS ohne öffentliche Kontrolle und Deregulierung als Hauptziele. Vielleicht sind noch kleine Schönheitskorrekturen möglich, doch diese können das „giftige Wesen“ des Abkommens nicht verändern. Frau Noichl bekannte offen, dass sie diesem Abkommen in der vorliegenden Form nicht zustimmen werde.

Im weiteren Verlauf ihres Referates erläuterte die Referentin die aus ihrer Sicht bestehenden Vorbehalte und Risiken. Sie bemängelte grundsätzlich die fehlende Transparenz, das Sonderklagerecht der Konzerne gegen Staaten, um evtl. entgangene Gewinne einzuklagen, nichtöffentliche Schiedsstellen, die Erschwernis und das Verhindern von zukünftigen Verbesserungen von Sozial- und  Umweltstandards, sowie die befürchtete Einschränkung der Freiheiten der Parlamente auf beiden Seiten des Atlantiks durch die sog. „regularische Kooperation“.

Als Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung  im Europäischen Parlament liegt Frau Noichl besonders die Zukunft des Agrarsektors am Herzen. Eine Studie des EP zeige, dass mit einem Rückgang der europäischen Wertschöpfung von 0,5 % im Agrarsektor zu rechnen sei, wenn TTIP kommt. Außerdem sieht Noichl in den extrem flächengroßen Betrieben in den USA eine Bedrohung  für die kleinbäuerlichen Betriebe, besonders in Bayern.

Detailliert ging die Referentin auf das Problem der Kennzeichnungspflicht für landwirtschaftliche Produkte wie Fleisch, Butter und Eier und die Gefahr des Importes von gentechnisch veränderten Lebensmitteln  ein.

Abschließend machte sich Noichl für ein Scheitern von TTIP und CETA stark, um Zeit zu gewinnen, neu nachzudenken über ein Fair-Handels- und Verbraucherschutzabkommen mit globaler Verantwortung.

Die Wortmeldungen in der anschließenden Diskussion befürworteten weitestgehend die Position der Referentin und waren geprägt von Vorbehalten und Ängsten.

Der Kreisvorsitzende der EUROPA-UNION Hans-Jürgen Göbel äußerte seine Bedenken, indem er befürchtet, dass die Lobbyisten der Großindustrie, die auf allen politischen Ebenen in Brüssel, Straßburg und in den nationalen Parlamenten einflussreich präsent und aktiv sind, dafür Sorge tragen werden, dass die derzeit verhandelten Handels- und Investitionsabkommen TTIP und CETA nicht scheitern werden.