Zum Jahreswechsel hat die EU-Kommission vorgeschlagen, Kernkraft bis 2045 und Gas bis 2030 im Rahmen der Taxonomie als nachhaltig einzustufen. Bei dieser geht es darum, am Finanzmarkt nachhaltige Investitionen von weniger oder gar nicht nachhaltigen unterscheiden zu können. Ziel ist es damit CO2-Emissionen auch durch Instrumente am Finanzmarkt zu beeinflussen und gleichzeitig das sogenannte Greenwashing nicht nachhaltiger Investitionsmöglichkeiten zu eliminieren. Die begrüßenswerte Idee dürfe nun auf der Zielgraden nicht ins Gegenteil verkehrt werden, fordert Thorsten Frank, Landesvorsitzender der Europa-Union Bayern. Sie werde sonst vom Finanzmarkt von Beginn an nicht ernst genommen.

„Mit dem Vorschlag der EU-Kommission wird zweierlei deutlich“ so Thorsten Frank. „Zum einen die unterschiedliche Ausgangslage in den einzelnen Ländern der EU ist und zum anderen zu welch ungewöhnlichen Empfehlungen das führen kann“, so Frank. Damit meint der Landesvorsitzende einerseits, dass beispielsweise in Deutschland die letzten drei Kernkraftwerke Ende 2022 stillgelegt werden, während in Frankreich der Anteil der Kernenergie von 78,5% in 2005 auf 70,6% in 2020 an der Stromerzeugung eher langsam abnimmt. Da sei es nachvollziehbar, dass Frankreich analog zum Kohleausstieg in Deutschland Zeit für eine Umstellung benötige, schlussfolgert Frank, der auch Mitglied des Präsidiums der Europa-Union Deutschland ist. Die Idee der Kommission, den einen Übergangsfristen für Gas zuzugestehen, damit andere Kernenergie länger laufen lassen können, liest sich für ihn nun wie ein typischer EU-Kompromissvorschlag. Damit werde allerdings genau das betrieben, was mit der Verordnung eigentlich verhindert werden solle: Greenwashing – also ein grünes Label auf etwas zu setzen, was schlicht nicht grün ist. „Wenn die Europäische Union das Instrument nicht von Beginn ad absurdum führen möchte, wäre sie daher gut beraten, nur das als nachhaltig gelten zu lassen, was tatsächlich nachhaltig ist“, ist sich Frank sicher.

Unterschiedliche Ausgangslage in Europa – gemeinsames Ziel darf nicht aus den Augen verloren werden

Und zwar aus vielerlei Gründen, wie der Augsburger erläutert: Während erneuerbare Energien aus Wind und Sonne sogar in Deutschland Strom am günstigsten erzeugen, sei Kernkraft erheblich teurer. Zudem gebe es bei den Erneuerbaren im Gegensatz zur Kernenergie keine ungelöste Endlagerfrage und auch keine Gefahr von Supergaus oder der Plutonium-Produktion. Darüber hinaus bergen Ressourcen-Abhängigkeiten wie von Uran und Gas die Gefahr von Machtspielen nicht immer zuverlässiger Partner, wie die Gaspreis-Entwicklung gerade deutlich zeige. Wind, Sonne, Wasser und Geothermie seien hingegen auch geopolitisch betrachtet von Vorteil, weil selbst Autokraten darauf nach heutigem Stand keinen Einfluss nehmen könnten. Das wirke sich stabilisierend auf die Energiepreise insgesamt aus, sieht Frank einen Vorteil für die Energieversorgung in der EU. Für ein von der Finanzbranche belächeltes neues EU-Instrument hingegen gelte das nicht zwangsläufig, gibt der Landesvorsitzende der überparteilichen Europa-Union zu bedenken.

Auch ohne Aufnahme in die Taxonomie Gas und Kernkraft nicht verboten

Zudem werden weder längere Übergangsfristen für Kernkraft noch Investitionen in Gaskraftwerke durch die Taxonomie verboten. Letztere seien aufgrund ihrer Flexibilität als Puffer für schwankende Erträge aus Erneuerbaren Energien etwa für Deutschland wichtig. Für beide gelte ohnehin auch ohne Aufnahme als nachhaltige Energieerzeugung eine Duldung. Das Ziel nachhaltigen Wirtschaftens dürfe deshalb aber nicht aus den Augen verloren werden, so der überzeugte Europäer. Denn für nachfolgenden Generationen wäre nicht das Label sondern die Realität entscheidend. „Je früher man den Zug auf das richtige Gleis setzt, umso schneller kann er auch am Ziel ankommen“ fasst Frank zusammen. Deutschland habe mit seinem Ausbau der Erneuerbaren Energien in den letzten Jahrzehnten von 17% in 2010 und 45 % in 2020 bewiesen, dass eine Energiewende möglich sei. Nun liege es an der EU-Kommission, den nationalen Regierungen und dem Europäischen Parlament zu entscheiden, ob sie den Zug in Richtung Zukunft in Gang setzen wollen, oder lieber Interessen des 20. Jahrhunderts folgen wollen und damit das Instrument nutzen oder als „Rohrkrepierer“ starten lassen. Gerade im Jahr der Jugend wäre es ein positives Signal mit gutem Beispiel das Interesse der Jugend für Europa zu stärken, appelliert Frank an die Entscheidungsträger.

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