Im Namen des einladenden Kreisverbandes der Europa-Union Bad Tölz-Wolfratshausen konnte am 16.Oktober 2014 der Kreisvorsitzende Jürgen Göbel in der vollbesetzten Aula des Schulzentrums Geretsried ca. 200 Schülerinnen und Schüler der Oberstufe des Gymnasiums, Mitglieder des Lehrerkollegiums sowie zahlreiche weitere Gäste begrüßen.
Göbel versuchte eindringlich in seinen einleitenden Worten, insbesondere die anwesenden Jugendlichen Zuhörer, für ihre Verantwortung, die zukünftige Gestaltung unseres Kontinents, zu sensibilisieren, diese Verantwortung zu fühlen und anzunehmen und sich nach Kräften für das „in der Geschichte einmalige Friedenswerk „EUROPA“ einzubringen. Dies gerade jetzt, vor dem Hintergrund weltweiter, kriegerischer Auseinandersetzungen in unserer „aus den Fugen geratenen Welt“. Es gelte innerhalb der Europäischen Union fest zusammenzustehen „und sich nicht durch separatistische , kleinstaatliche Betrebungen zurück ins 19. Jahrhundert auseinander dividieren zu lassen. „In einer globalisierten Welt wird unser Kontinent nur gemeinsam eine Chance behalten, für seine elementaren Interessen Gehör zu finden und diese auch durchzusetzen“, so Göbel.
Erfreut und dankbar konnte der Kreisvorsitzende den Politologen Michael Jörger für die Aufbereitung des heutigen Themenkreises dem Auditorium vorstellen.
Michael Jöger war langjähriger Leiter der Europäischen Akademie Bayern in München und ist heute Lehrbeauftragter an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München.
Der Referent stellte zunächst zwei Tendenzen in Europa fest. Zum einen Bestrebungen einiger Regionen in der EU „Weg vom Zentralstaat“, zusätzlich verstärkt durch die Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahre.
Zum anderen eine Zunahme populistischer und europakritischer Parteien in Europa. Meist sind es nicht die armen Regionen, die nach Selbstständigkeit und mehr Unabhänigkeit streben, sondern die reichen. Sie fühlten sich ausgenutzt und als „Melkkühe“ der Zentralstaaten.
Für die EU sind grundsätzlich die Zentralstaaten die Ansprechpartner, aber in den europäischen Verträgen wird den Belangen der Regionen innerhalb der EU mit der Institution „Ausschuss der Regionen (AdR)“, der Verankerung des Subsidiaritätsprinzips und der Unterstützung der Euregios große Berücksichtigung zuteil. Die Regionalpolitik der EU ist der zweitgrößte Ausgabenposten im EU-Budget ( ca. 35 %) , gleich hinter der Gemeinsamen Agrarpolitik mit ca. 43 %.
Grundsätzlich gelte jedoch, dass die EU kein homogenes Gebilde mit einer großen sozialen und kulturellen Geschlossenheit darstellt. Es gäbe große Unterschiede im Staatsaufbau, der Gewaltenteilung in den einzelnen Mitgliedsländern, aber auch wirtschaftliche Disparitäten in den Regionen.
Jörger verwies auf „Europas Rebellen“ Schottland, Nordirland, Belgien, Italien, Korsika, Spanien sowie auf die Situation in der Bretagne, in Galizien, Grönland, Siebenbürgen und den Kosovo. Er erläuterte in der Folge die Ursachen und Hintergründe der Sezessionsbewegungen. Vielfach liegen die Ursprünge weit zurück in der eigenen Geschichte. Es stelle sich die Frage nach der Identität, Kultur und Sprache. Früher führten diese Konflikte sehr oft zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. (z.B. Nordirland 3.500 Tote) Jörger stellte fest, dass regionalistische Bewegungen durch die steigenden Spannungen den Keim der Neuordnung des europäischen Raumes in sich tragen.
Interessant sei jedoch, so Jörger in seiner Schlussbetrachtung, dass alle Bewegungen proeuropäisch seien, ansonsten drohten sie in die Isolation zu geraten. Es stelle sich jedoch die Frage, wie der Wunsch nach einem eigenen Nationalstaat zur europäischen Idee passe. Problematisch sei auch, dass bei Abstimmungen ein Bruchteil der Bevölkerung über das Schicksal des gesamten Landes entscheidet. Droht eine „Balkanisierung“ Europas? Handelt es sich um einen wieder erstarkenden Nationalismus?
Die Position der EU sei klar. Die EU respektiert die Außengrenzen und Verfassungen ihrer Mitgliedsstaaten und solange kein EU-Staat offiziell nachfragt, mischt sich die EU-Kommission nicht ein.Das Fazit des Referenten:
Die Zukunft Europas liegt in mehr Regionalismus und Föderalismus.
Es gilt:
– kulturelle Eigenarten und gesellschaftliche Vielfalt zu bewahren
– Vertikale Gewaltenteilung
– ausgewogene Wirtschaftsentwicklung gewährleisten
– Bürgernähe der Entscheidungen
– Überwindung von Grenzen und Grenzproblemen
– Überbrückung von nationalen Konflikten
In der anschließenden engagierten Fragerunde konnte Michael Jörger die themenrelevanten Fragen insbesondere der Schülerinnen und Schüler zur allgemeinen Zufriedenheit kompetent beantworten.