Die demokratischen Elemente stärken, weniger nationale Alleingänge – auch nicht in Krisensituationen wie bei Covid oder der Energiekrise, Rechtsstaatlichkeit bei allen EU-Mitgliedern konsequent einfordern, Abgrenzung gegen nationalistische Tendenzen und Gruppen: Eine interessante Podiumsdiskussion mit überraschenden Einblicken in die Entstehung und Gepflogenheiten der Europäischen Einigung erlebten die Delegierten zur Auftaktveranstaltung unseres Landesvorsitzenden Thorsten Frank zum 65. Bundeskongresses der Europa Union Deutschland e.V. und interessierte Augsburger Bürgerinnen und Bürger gemeinsam im Augsburger Rathaus.
Der überparteiliche Fokus der Europa Union manifestierte sich deutlich in der Podiumsbesetzung: Auf dem Podium zum Thema „Europa Visionäre“ saßen der Augsburger Europaabgeordnete Markus Ferber, die Berliner Europaabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Europa Union Deutschland, Gaby Bischoff, sowie die frühere Europaabgeordnete und heutige Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth. Ein Grußwort mit Erinnerung an die Meilensteine seiner Zeit, unter anderem der Geburt seines politischen Babys „Euro“, sendete per Videobotschaft der langjährige ehemalige Bundesfinanzminister dreier Kabinette-Kohl Dr. Theo Waigel. Organisiert hatte den Event die Europa Union Augsburg, deren Vorsitzender Thorsten Frank gemeinsam mit Jürgen Enninger, Referent für Kultur-, Welterbe und Sport vom Mitveranstalter Stadt Augsburg die Begrüßung übernahm. Weitere Partner der Veranstaltung waren das Europabüro mit Europe Direct der Stadt Augsburg, die VHS Augsburg und die Jungen Europäischen Föderalisten.
Das Podium startete mit den Erfahrungen, Möglichkeiten, Hürden der Europäischen Einigung. Zentral mit den eingangs genannten Themen zu denen alle sich einig waren – hier jedoch mit vielen Details aus Insidersicht. Unter anderem fasste Gaby Bischoff, die mitwirkte in den Gremien für die „Konferenz zur Zukunft Europas“ war, deren Ergebnisse prägnant zusammen. Interessant auch der Hinweis Markus Ferbers und Claudia Roths – dass man auf diesem überparteilich besetzen Podium gut sehen könne, worum es im Europäischen Parlament meist gehe: Wenig um Parteien und Fraktionen – sondern darum, standfeste und durchsetzbare gemeinsame Positionen zu finden – im Interesse Gesamteuropas zu kooperieren – um die nationalen Egoismen einzubremsen. Letztlich ein Kernanliegen, das sich perfekt deckt mit dem Gründungszweck der Europa Union als vollständig überparteiliche europaweite Organisation für alle Freunde der Europäischen Einigung.
Als Moderator Prof. Dr. Christoph Weller, Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung der Universität Augsburg den Fokus auf die Visionen lenkte, wurde das Bild bunter. Staatsministerin Claudia Roth betonte immer auch den globalen Ansatz zu wählen: Europa dürfe sich trotz allem nicht abschotten. Zudem weist sie auf die große Bedeutung von Kultur und Unabhängigkeit der Medien in Europa und allen europäischen Ländern hin. Die Europa-Abgeordnete Gaby Bischoff zeigte ihre große Strukturkompetenz und weist auf dringend notwendige Wege zur Verstärkung der Transparenz und Teilhabe der Bürger sowie mehr sozialen Ausgleich hin – die Bürger hätten ihrer Erfahrung nach deutlich größeren Erwartungen und Hoffnung gegenüber Europa als ihre Regierungen. Der Europaabgeordnete Markus Ferber fokussierte aufgrund seiner zahlreichen Erfahrungen insbesondere mit Ungarn und Polen auf die Notwendigkeit der Einschränkung des Einstimmigkeitsprinzips in bestimmten Bereichen. Warum nicht „etwas revolutionärerer Maßnahmen“, um einige wichtige Prozesse insbesondere zu eher tagespolitischen Themen zu beschleunigen und mit Rechtsstaatlichkeitsproblemen und nationalen Partikularinteressen besser umgehen zu können.
In sich nicht widersprüchlich, bis Prof. Weller aus seiner Perspektive als Konfliktforscher provokant darauf hinwies, dass in vielen dieser Statements zu viele Begriffe verwendet würden, die aus seiner Sicht zu endgültig seien, um korrekt zu sein und die aus- und abgrenzend seien. Dies sei nicht hilfreich in der demokratischen Meinungsbildung und beim Umgang mit extremeren Positionen. Beispiele waren die verwendeten Begriffe „Kipppunkt einer Demokratie“ oder man müsse „eine Brandmauer“ gegen Extremisten setzen.
Mehr Fokus auf das Gemeinsame und Positive also. Und was ist nun die übergreifende positive Vision für Europa? Leider, so spannend viele Details waren, kam diese nicht zu Tage. Könnte hier eines der Kernprobleme der Europäischen Union liegen? Thorsten Frank, der neben dem Kreisverband Augsburg auch der Europa Union Bayern vorsitzt, stellt diese Frage bei seiner kurzen Zusammenfassung in den Raum. Mit provokantem Verweis auf China: „Die Chinesen wissen, wo sie in 10 Jahren sein wollen, wir nicht. Wir müssen es wir China machen, nur demokratisch.“ Außerdem gelte es darum derzeit das Kernproblem Energie nachhaltig zu lösen, so Frank weiter. „Denn Sie ist die entscheidende Frage, um die Inflation in den Griff zu bekommen und nicht von Erpressungsversuchen Dritter abhängig zu bleiben“. Wieviel Kraft und Durchhaltevermögen eine gemeinsame demokratische Vision geben kann, zeigen jedoch die Bürger und Bürgerinnen der Ukraine. Nun haben die Delegierten der Europa Union Bundesversammlung zwei Tage zu Gast in der Friedensstadt Augsburg die Möglichkeit, überparteilich unter anderem an einer begeisterungs- und tragfähigen Vision für Europa zu arbeiten.
Der Livestream zur Veranstaltung ist auf www.augsburg.de/europavisionaere als Video online zu sehen.