“Trump und Putin auf dem G20-Gipfel – Russland und die USA vor einer erneuten Kooperation?“ war das Thema eines weiteren Vortrags, zu dem der Kreisverband Bad Tölz-Wolfratshausen e.V. der Europa-Union am Dienstag, den 27. Juni 2017 in die Wolfratshausener Flößerei einlud. Die Vorsitzende, Frau Elke Müller, begrüßte als Referenten den Publizisten Dr. Christian Wipperfürth (Berlin). Die Beschreibung seines Werdegangs ließ erkennen, wie er zu einem Experten für russische Politik wurde.

Mit einem Blick auf die derzeitige innenpolitische Situation in Russland begann Dr. Wipperfürth seine Ausführungen. Hier sieht er eine zwiespältige Lage: Einerseits hat ein Großteil der russischen Bevölkerung erhebliche Vorbehalte ihrer Führung gegenüber. Diese haben ihre Ursache in einem großen Misstrauen, sich persönlich bereichern und sich nicht wirklich um die Belange des Volkes kümmern zu wollen. Andererseits ist die Bevölkerung sehr national eingestellt. Die Russen sind stolz auf ihr Land und lehnen alles ab, was diesem schaden könnte. Daher stützen die vom Westen ergriffenen Sanktionsmaßnahmen letztlich Putin, den sie als Garant der Stärke Russlands ansehen. Die Befürchtung, dass Russland im Gegenzug der Sanktionen die Gaslieferungen nach Europa einstellen könnte teilt Dr. Wipperfürth nicht. Vielmehr führt er aus, dass der größte Teil der russischen Währungsreserven bei westlichen Banken liegt und der Westen durch Sperrung der Konten den russischen Außenhandel zum Erliegen bringen könnte.
Russlands Verhältnis zum Westen hat sich seit der Besetzung der Krim im Frühjahr 2014 erheblich abgekühlt. Seit diesem Zeitpunkt gibt es keine Gespräche im Rahmen des NATO-Russlandrates mehr. Während einige NATO-Mitglieder, vor allem Deutschland, Frankreich und Italien, der Meinung sind, Gespräche weiter suchen zu müssen, halten dies andere Mitglieder für sinnlos, da kein Vertrauen mehr bestünde. Inzwischen steigt aber die Zahl der NATO-Staaten, die sich für eine Neuaufnahme der Gespräche einsetzen.
Ein besonderes Problem für die Beziehungen Russlands zum Westen ist die Situation in Syrien. Russland unterstützt massiv das Assad-Regime, die USA nehmen nun diesem gegenüber eine harte Haltung ein: pflegte die Trump-Administration ursprünglich enge Kontakte zu Russland, hat sich das mit dem Giftgasangriff im März 2017 geändert. Hier bedient Trump aus innenpolitischen Gründen die Meinung eines Großteils der US-Bevölkerung, dass Russland gefährlich für die USA sei.
Ein weiterer Brennpunkt in den westlich-russischen Beziehungen sind die Auseinandersetzungen in der Ukraine. Hier fiel nach der Amtsübernahme Trumps auf, dass es bei damals stattfindenden Kämpfen keinerlei Solidaritätsbekundungen für die Ukraine aus den USA gab und Russland in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wurde. Dies wurde als Signal für eine gewisse Neutralität der USA im Ukrainekonflikt gewertet. Zuständig seien vor allem die Ukraine selbst, Russland, Deutschland und Frankreich. Seit kurzem gibt es Signale aus den USA, dass diese sich wieder stärker einbringen wollen.
Den Ausblick auf die nahe Zukunft gliederte Dr. Wipperfürth in drei Bereiche:
1. USA: Der US-Präsident macht einen amateurhaften Eindruck. Dabei gibt es schwer wiegende strukturelle Probleme, die ein professionelles Handeln erfordern würden. Eine große Mehrheit der Amerikaner glaubt, dass ihre Gesellschaft gespalten ist.
2. Beziehung Westen-Russland: In den letzten Jahren wurde viel Vertrauen zwischen den beiden Lagern zerbrochen. Es gibt heute ein großes Misstrauen der russischen Bevölkerung gegenüber dem Westen, dem unterstellt wird, zunehmen Einfluss auf die russische Innenpolitik ausüben zu wollen. Andererseits glauben viele Russen angesichts der Fehlschläge amerikanischer Politik in Afghanistan, Irak und Libyen, dass die USA keine rationalen Interessen vertreten.
Das verlorene Vertrauen kann nicht schlagartig wieder hergestellt werden, vielmehr muss es in kleinen Schritten wieder erarbeitet werden.
3. Wirtschaftliche Aspekte: Die Wirtschaft Russlands bezeichnet Dr. Wipperfürth als schwach, Russland aus dieser Sicht als „Koloss auf tönernen Füßen“. Allerdings ist der Auslandsschuldenstand von über 700 Mrd. $ (vor Beginn der Sanktionen im Jahr 2014) gesunken, da Kredite zurück gezahlt wurden und keine anderen mehr aufgenommen werden konnten. Die Bevölkerung musste in diesem Zeitraum einen Rückgang der Realeinkommen um 10% hinnehmen.
Die Verlängerung und Erweiterung der Sanktionen soll nach Meinung westlicher Politiker Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen, um es zu Zugeständnissen in den anderen Bereichen zu bewegen.
Es gab telefonischen Kontakt zwischen Trump und Putin. Das Treffen der Beiden beim G20-Gipfel wird Trumps Haltung nicht verändern, da er innenpolitisch Rücksicht nehmen muss.
Als Handlungswegweiser für die westliche Politik nennt Dr. Wipperfürth die folgenden Punkte:
1. Abschaffung des Visumszwangs auch für Russen (für biometrischen Pass). Damit kann der Austausch zwischen den Ländern gefördert werden.
2. Unterstützung der Opposition in Russland, aber unaufdringlich und zurückhaltend.
3. Zurückstellung der Krimfrage und anderer zur Zeit kaum lösbarer Problemfelder.
4. Sprechen über russische Vorschläge, um wieder einen kleinen, aber ausbaufähigen Anfang zur Rückgewinnung des verlorenen Vertrauens zu machen.

Es schloss sich eine sehr angeregte Diskussion an, an deren Ende sich Frau Elke Müller sowohl beim Referenten als auch bei den Besuchern für den sehr informativen Abend bedankte.