Der Referent Matthias Reusing ist Beamter bei der Europäischen Kommission, Generaldirektion „Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung“ (DEVCO) und stellte auf der 67.Landesversammlung der Europa-Union Bayern in einem Arbeitskreis den Themenschwerpunkt „Entwicklungspolitik“ vor.
Vor der Europäischen Kommission arbeitete er für 10 Jahre bei deutschen Entwicklungsorganisationen in Äthiopien und Sambia, danach für jeweils 4 Jahre für die Europäische Kommission an den EU-Delegationen in Sierra Leone und China und seit 2014 im Asien/Mittlerer Osten/Pazifik-Direktorat von DEVCO in Brüssel. Seit kurzme ist er auch Mitglied der Europa-Union Aschaffenburg.
Matthias Reusing teilte seine Präsentation in zwei Themenblöcke auf. Zuerst stellte er die Aktivitäten seiner Generaldirektion vor und erklärte warum die Entwicklungspolitik in der Außenpolitik der Europäischen Union eine Schlüsselstellung einnimmt. Ihr Ziel besteht darin, die Armut zu beseitigen, ein nachhaltiges Wachstum zu fördern, die Menschenrechte und die Demokratie zu verteidigen, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern sowie die Herausforderungen in den Bereichen Umwelt und Klima zu bewältigen. Die EU agiert auf internationaler Ebene und ist mit 75,7 Mrd. € (in 2017) der weltweit größte Geber von Entwicklungshilfe (insgesamt 60%). Die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der EU und eine Ausrichtung an der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung sind der Schlüssel für eine effiziente Bereitstellung der Entwicklungshilfe. Die EU war aktiv an der Ausarbeitung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung beteiligt, mit der ein neuer globaler Rahmen für die Unterstützung bei der Beseitigung der Armut und der Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung bis 2030 festgelegt wurde. Mit der Agenda 2030, die im September 2015 von der UN-Vollversammlung in New York verabschiedet wurde, werden die Millenniumsentwicklungsziele (MDG) abgelöst und ein neues Paket von 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung eingeführt, deren Schwerpunkt auf Zielvorstellungen in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Umwelt und gute Regierungsführung liegen und bis 2030 erreicht werden sollen. Matthias Reusing unterstrich, dass mit dem Erreichen der Nachhaltigkeitsziele globale Flüchtlingsströme signifikant reduziert werden können, womit er zum zweiten Themenblock „Entwicklung und Migration“ überleitete.
Anhand einer historischen Zeitreise rückte Matthias Reusing in das Bewusstsein der Teilnehmer, dass die meisten Europäer im Grunde einen Migrationshintergrund haben. Er illustrierte in seinem Vortrag darüber hinaus, dass Deutsche Emigranten, die im 19. Jahrhundert zu hunderttausenden nach Amerika auswanderten, dies letztendlich aus sehr ähnlichen Gründen taten, wie heutzutage Menschen die sich aus Afrika, dem Mittleren Osten und Zentralasien nach Europa aufmachen. Er zeigte ein eindrucksvolles Bild über die weltweiten Migrationsbewegungen zwischen 2010 und 2015, um aufzuzeigen, dass regionale Migrationsströme innerhalb Asiens und Afrikas zahlenmäßig bei weitem bedeutender sind als die seit 2015 abflauenden Flüchtlingsströme nach Europa. Laut Migrationsbericht 2017 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) waren im Rekordjahr 2017 (dem fünften in Folge) weltweit 68,5 Mio. Menschen auf der Flucht. Dabei wurden 85 % der Flüchtlinge von anderen Entwicklungsländern aufgenommen. Insgesamt haben 3,1 Mio. Menschen Asyl beantragt, wovon lediglich 187.000 Asylsuchende nach Deutschland kamen (im Vergleich zu 890.000 in 2015).
In den anschließenden, über eine Stunde dauernden Diskussionen, die von Dieter Schornick, dem Vorsitzenden des Kreisverbandes Aschaffenburg geleitet wurden, gab es weitere wertvolle Informationen des Referenten. Dabei ging es u.a. um die Abholzung der so wichtigen Regenwälder in Indonesien und Malaysia, wodurch zeitweilig genauso viel CO2 emittiert wurde wie in den USA, vor allem aber auch darum die Lebensbedingungen und Beschäftigung in den Partnerländern vor Ort zu verbessern, um die Bevölkerung vor Migration nach Europa zurückzuhalten. Das Wachstum der Weltbevölkerung stellt angesichts der limitieren natürlichen Ressourcen unseres Planeten ebenfalls eine große Herausforderung für Entwicklungsländer dar. Eine bessere Ausbildung und Rolle der Frauen, sowie die Entwicklung sozialer Sicherungssysteme, sind neben verbesserter Familienplanung potentielle Ansatzpunkte um dem Bevölkerungswachstum mittelfristig entgegen zu wirken.
Zusammenfassend konnte erfreulich festgestellt werden, dass die Armut weltweit in den letzten Jahren, nicht zuletzt auch durch die EU-Entwicklungshilfe zurückgegangen ist. Mit dem Europäischen Investitionsplan (EIP) für Afrika von 2016, in Höhe von 4,1 Mrd. € bis 2020, werden neue innovative Projekte angestoßen, um auch den Privatsektor durch die technische Hilfe und Kreditvergabe europäischer und afrikanischer Entwicklungsbanken zu stärken. Darüber hinaus hat die EU 2016 einen Treuhandfond für Afrika in Höhe von 3,4 Mrd. € aufgelegt, wodurch Projekte zur Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung, zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit, zum Migrationsmanagement, sowie zu verbesserter Regierungsführung und Konfliktprävention gefördert werden. Leider ging in der von der CSU angestoßenen Flüchtlings- und Grenzsicherungsdebatte völlig unter, dass sich die EU Mitgliedsstaaten im Europäischen Ratsbeschluss vom 28. Juni 2018 darauf geeinigt haben den EU Treuhandfond für Afrika um 500 Mio. € aufzustocken. Außerdem wurden die EU Mitgliedsstaaten von ihren Regierungschefs dazu aufgerufen weitere Finanzmittel zur Aufstockung des Treuhandfonds bereitzustellen, worüber in den Medien ebenfalls großes Schweigen herrschte.
Dieter Schornick