Bundeskanzlerin Merkel übernimmt als deutsche Regierungschefin nach 2007 zum zweiten Mal die Ratspräsidentschaft – das ist bisher einmalig. Die EU-Ratspräsidentschaft fällt in eine sehr stürmische Zeit, aber genau darin liegt die große Chance. Angela Merkel ist die erfahrenste Regierungschefin und hat in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, dass sie gerade in schwierigen Zeiten bereit ist eine Führungsrolle und Verantwortung zu übernehmen. Die EU-Ratspräsidentschaft ist nicht mit zusätzlichen Machtbefugnissen ausgestattet. Es ist vor allem eine vermittelnde Funktion, um Kompromisse zwischen den Mitgliedsstaaten auszuhandeln. Die Coronakrise hat das Handlungsfeld für Deutschland während der EU-Ratspräsidentschaft natürlich enorm reduziert, wobei gleichzeitig die Erwartungen gestiegen sind.
Ziel ist es, Europa gemeinsam und zukunftsgerichtet wieder stark zu machen. Gerade bei den Themen EU-Haushalt und Wiederaufbaufonds haben die vergangenen Wochen fundamentale Differenzen zwischen den Mitgliedsstaaten offengelegt, die es für die deutsche Ratspräsidentschaft binnen kurzer Zeit zu überwinden gilt. Denn in das zweite Halbjahr fallen nun nicht nur die Verhandlungen über den EU-Haushalt und Wiederaufbaufonds, sondern auch der Abschluss der Gespräche mit dem Vereinigten Königreich. Aber auch die Themen Klimaschutz, Digitalisierung, die Reform der EU-Asylpolitik und das Verhältnis zu China und den USA dürfen nicht durch die Krisenbewältigung auf der Strecke bleiben. Das wird der deutschen Ratspräsidentschaft nicht nur eine gute Führungsrolle abverlangen, sondern auch Verhandlungs- und Vermittlungsgeschick in vielen langen Brüsseler Verhandlungsnächten.