Mit „Wegen durch Wein und Kultur“ lockt die Broschüre des Fremdenverkehrsamtes Wipfeld; wenigstens einiges davon wollten die 42 Mitglieder des Bezirksverbandes der Europa-Union Unterfranken am 11.07.2015 kennenlernen. Für die guten Weine stand Zehntgraf Albert Kestler, der uns zusammen mit Bürgermeister Tobias Blesch am Literaturhaus begrüßte. Während der Zehntgraf mit einem Teil der Gruppe zunächst den Ort und seine Geschichte auf dem Celtis-Rundweg erklärte, begab sich Bürgermeister Blesch mit seiner Gruppe sofort in das Literaturhaus aus dem 18. Jahrhundert, einem der zahlreichen, mit viel Einfühlungsvermögen in die Epoche renovierten Bauten der Gemeinde, und machte uns auch gleich mit Wipfelds berühmtesten Gelehrten und Literaten aus der Zeit der Renaissance und des Humanismus bekannt: Conrad Celtis.
1487 in Nürnberg von Kaiser Friedrich III. als erster Deutscher zum Dichter gekrönt, studierte und lehrte Conrad Celtis in Krakau Mathematik und Naturwissenschaften; zehn Jahre später berief ihn 1497 Kaiser Maximilian I. als Professor der Beredsamkeit und Dichtkunst an die Universität Wien. Als echter Renaissancemensch war er keineswegs ein blutleerer Dichter, Denker und Gelehrter, sondern liebte als echter Franke den Wein, zu dem bekanntlich Gesang oder Poesie und Weib als Dreigestirn gehören. So erzählt er in seinen „Amores“ von Geliebten in allen vier Himmelsrichtungen Deutschlands und konnte dabei reichlich eigene Erfahrungen mit dem schönen Geschlecht einbringen. Das machte für uns den Namensgeber eines bekannten Gymnasiums in Schweinfurt so richtig menschlich.
Bei Engelbert Klüpfel dachten einige sofort an die Straße vom Marktplatz Richtung Schwanfeld und den Weinbergen sowie den Winzergütern von zwei der drei Selbstvermarkter ihrer Weine, von denen uns Bürgermeister Blesch erzählte. Weniger bekannt war uns der Augustinermönch der katholischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts dieses Namens, Professor für Dogmatik und Polemik. Im Schatten des Rathauses stehend hörten wir gerne zu, träumten schon von einem Schoppen. Aber wie fast immer hatten die Götter den Schweiß vor das Vergnügen gesetzt. Es ging vorbei am „historischen Weinberg“ mit gemischt gepflanzten alten Rebsorten hinauf zum Kirchberg und zur Pfarrkirche „St. Johannes der Täufer“ mit dem massiven Julius-Echter-Turm. Sich dort in der ruhig kühlen Atmosphäre der beeindruckenden Barockkirche nach dem steilen Aufstieg auf einer Kirchenbank ausruhen zu können, tat gut. Wir waren aufnahmebereit für die Schönheit der Barockaltäre und der mächtigen klassizistischen Orgel, alles wertvolle Stücke aus dem nahegelegenen Kloster Heidenfeld, und der prächtigen Stuckverzierungen von Materno Bossi.
Nach dem Kunstgenuss erwartete uns der überwältigende Ausblick von der Aussichtskanzel auf unsere herrliche fränkische Landschaft am Main mit viel besungenen Wäldern und Hügeln. Ein Punkt sticht von hier besonders ins Auge, das Kloster St. Ludwig mit dem angegliederten Antonia-Werr-Zentrum. Was ein Bürgermeister alles zur Gestaltung und Bedeutung seiner Ortschaft vermag, das zeigte uns die Geschichte von Nikolaus Müller: Als Dorfschultheiß ließ er nämlich anno 1810 die in der ganzen Umgebung bekannten Schwefelquellen auf dem Gebiet des heutigen St. Ludwig fassen und leitete durch den Bau eines Kurhauses die Entwicklung zu einem Bad ein. Dem schnellen Aufstieg folgte um die Jahrtausendwende wegen der beherrschenden Stellung von Bad Kissingen und Bad Bocklet ein ebenso schneller Verfall. Während wir der weiteren Geschichte bis zur Gründung einer Benediktinerabtei und schließlich zum heutigen Antonia-Werr-Zentrum, einer „heilpädagogisch-therapeutischen Einrichtung der Jugendhilfe für Mädchen und junge Frauen in schwierigen Lebenssituationen“, lauschten, beobachteten wir die Fähre und die Schiffe auf dem Main, die silbern glitzernde Furchen in das grau-güne Wasser zogen.
Beim abschließenden gemütlichen Zusammensein in einer der bekannten Winzerlokale Wipfelds bedankten sich die Mitglieder der Europa-Union von Schweinfurt, Bad Kissingen und Hammelburg und der Bezirksvorsitzender Hans-Dieter Scherpf bei Christiane Fenn, der Vorsitzenden des Kreisverbandes Schweinfurt und Organisatorin der Fahrt, für den abwechslungreichen Nachmittag in einer kleinen Gemeinde unserer Region, deren Söhne ihr eine wirklich europäische Bedeutung verleihen. Unterstützt bei der Organisation wurde Christiane Fenn besonders vom Schatzmeister des Bezirksverbandes Unterfranken Dieter Lotze aus Hammelburg.
Niederwerrn, 15.07.2015 gez. Edgar Schuck, stellv. Vors.