„Wahl zum Europäischen Parlament 2019: Wie sieht Europa nach 2020 aus?“ war das Thema eines Vortrags, zu dem der Kreisverband Bad Tölz – Wolfratshausen der Europa-Union Deutschland am 23.10.18 nach Wolfratshausen in die Flößerei eingeladen hatte.
Der Ehrenvorsitzende des Kreisverbandes, Herr Jürgen Göbel, begrüßte den Referenten des Abends, Herrn Jochen Kubosch, Mitglied des Landesvorstandes der Europa-Union Bayern. Herr Kubosch wurde nach seinem Studium der Rechtswissenschaften und anschließender Richtertätigkeit in Nürnberg als Europareferent im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung 1989 als nationaler Experte nach Brüssel zur Europäischen Kommission entsandt. Dort arbeitete er u.a. als Pressesprecher, hielt den Kontakt zu Bayern und informierte hier über aktuelle Entwicklungen in Brüssel, um die bayerische Verwaltung mit der Kommission zu vernetzen. Nach 10 Jahren in Brüssel übernahm er 1999 die Leitung der Vertretung der Europäischen Kommission in München und von 2006 bis 2015 die Leitung des Informationsbüros des Europäischen Parlamentes in der Bayerischen Landeshauptstadt. Aus diesen Tätigkeiten resultiert sein reichhaltiger Erfahrungsschatz, der ihn auch als Mitglied des Rednerservices „Team Europe der Europäischen Kommission“ qualifiziert.
Herr Kubosch gab einen Überblick auf den derzeitigen Zustand der EU. Trotz des Handlungsbedarfs in vielen Teilbereichen ist die grundsätzliche Zustimmung zu dem Europäischen Einigungsprozess in den meisten Mitgliedsländern groß. Auch die gemeinsame Währung, der Euro, wird in den Ländern der Eurozone von einer großen Mehrheit gut geheißen.
Trotz der divergierenden Entwicklung in den Mitgliedsstaaten besteht weitgehende Einigung über den Verbleib in der EU (sicher auch motiviert durch die Probleme mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, dem Brexit), über die gemeinsame Akzeptanz der vertraglichen Rechtsgrundsätze (die Urteile des Europäischen Gerichtshofs wurden bisher akzeptiert), über die grundsätzliche Notwendigkeit solidarisch zu handeln (auch wenn es hier Ausnahmen wie die Migrationsproblematik gibt).
Die Lage wird jedoch erschwert durch die Zunahme egoistischen Handelns und das Ausufern der Korruption in einigen Ländern. Außerdem erschwert nach wie vor das geforderte Einstimmigkeitsprinzip bei Abstimmungen und Entscheidungen die Handlungsfähigkeit der Union in wichtigen politischen Bereichen.
Erheblicher Planungsbedarf besteht bei den Finanzen: der derzeitige Haushaltsbereich endet 2020 und damit enden auch alle Förderprogramme. Die Kommission hat Vorschläge unterbreitet, wie es gerade unter dem Ausfall des zweitgrößten Nettozahlers Großbritannien (12 Mrd. €) weiter gehen soll. Zudem sind Mehrausgaben geplant für Innovation, Bildung, Jugendaustausch und Umwelt sowie eine gemeinsame Grenzsicherung. Gespart werden könnte u.a. beim Beschaffungswesen für die Verteidigung, den Strukturfonds und der Landwirtschaft. Auch schlägt die Kommission vor, dass Einnahmen z.B. aus dem Außenzoll und dem Emissionshandel generiert und dem EU-Finanzhaushalt zugeführt werden.
Eine an sich notwendige schnelle Beschlussfassung ist jedoch nicht zu erwarten, da bei der Verabschiedung der neuen mittelfristigen EU- Finanzplanung Einstimmigkeit aller Beteiligten erforderlich ist.
Wenn es nicht gelingt, den Haushalt rechtzeitig zu beschließen, könnte das vorübergehend zu empfindlichen Investitionskürzungen in Teilbereichen führen.
Herr Kubosch appellierte daran mitzuhelfen, die „schweigenden Mehrheit“ der EU-Befürworter zu motivieren an der Europawahl am 26. Mai 2019 teilzunehmen, um den Stimmenanteil der europaskeptischen Abgeordneten möglichst gering zu halten und eine weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft im Europäischen Parlament zu verhindern.
Nach dem Dank von Herrn Göbel an den Referenten für seinen sehr fundierten, ausgewogenen Vortag schloss sich eine lebhafte Diskussion an. Alle Teilnehmer waren der Meinung, dass der Abend für sie Gewinn bringend war.