Hammelburg Frankreich ist unser wichtigster Partner in der Europäischen Union. Welche politischen Kräfte in Frankreich das Sagen haben, kann der deutschen Bundesregierung nicht gleichgültig sein. Verfassungsgeschichtlich unterscheiden sich die beiden Länder. Die Macht des Staatspräsidenten ist nicht mit dem Amt eines Bundespräsidenten zu vergleichen. Der Wahlmodus ist ein anderer. Zuerst wählen die Franzosen ihren Präsidenten und dann folgt die Wahl der Abgeordneten in das Parlament. „Die französische Verfassung ist ein Maßanzug, den sich Charles de Gaulle hat schneidern lassen“, sagte der Referent.
Es lag auf der Hand, dass der Arbeitskreis Politik und Gesellschaft der Europa-Union Hammelburg sich dieses Themas annahm: „Wie geht es weiter nach der Wahl in Frankreich“. Die Hanns-Seidel-Stiftung war bereit einen Referenten nach Hammelburg zu schicken, der diesem Thema gewachsen war. Ihr Repräsentant der HSS in Paris, Dr. Philipp Siegert erwies sich als kompetenter Kenner des politischen Frankreichs, dessen Parteienlandschaft und Machtstrukturen.
Die Präsidentenwahl im April 2022 konnte Macron für sich entscheiden. Wie wird sich das Parlament zusammensetzen, welche Interessen bringen die Parlamentarier ein, wenn die Stimmen ausgezählt sind? Diese Frage war am Tag des Vortrages noch offen. Am Vortragstag war die Präsidentenwahl entschieden. Die Wahlen zur Nationalversammlung im Juni standen noch aus. Zu seinen Aufgaben gehört das tägliche Lesen der großen französischen Tageszeitungen und der übrigen Medien. Radio- und Fernsehnachrichten. Tendenzen sind zu erkennen und auszuwerten.
Zur Zeit der Krise in der Ukraine rücken die europäischen Staaten zusammen. Der Deutsch-Französische Freundschaftsvertrag ist eine starke Klammer. Unterschiedlich Herangehensweise der beiden Regierungen ist normal. Wichtig ist die regelmäßige Abstimmung.
Auch die französischen Überseegebiete beteiligen sich bei den Wahlen. Ihre Sicht deckt sich nicht immer mit dem Wähler im Mutterland.
Die Funktion des Innenministers in Frankreich stellte Dr. Siegert heraus. Seine Macht ist durchaus mit der des deutschen Bundeskanzlers zu vergleichen. Polizeikräfte sind weitaus straffer, fast militärisch, autoritär geführt. Die Deutschen haben das Imperiale gänzlich abgelegt. Der normale Franzose ist stolz auf sein Land, kennt die Traditionen. Politik wird viel leidenschaftlicher betrieben als in Deutschland.
Noch ist die Zusammensetzung der Nationalversammlung nicht entschieden. Egal wie die Blockbildung aus den Wahlen hervorgeht, egal, der Präsident kann über das Parlament hinweg regieren. So wie ein deutscher Reichskanzler Friedrich Ebert in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts am Parlament vorbei Gesetze durchsetzen konnte, bemerkte der Referent.
Der Leiter des Arbeitskreises Politik und Gesellschaft, Dieter Galm (li.) dankte dem Referenten für die Mühe der Reise mit der Bahn nach Hammelburg und für seinen brillanten Vortrag. Als Deutscher in der französischen Schweiz aufgewachsen hat er sprachlich die richtigen politischen Sensoren für unser Nachbarland. Dank galt auch Frau Rosi Hufnagel von der Hanns-Seidel-Stiftung, die diese Veranstaltung erst möglich machte.“
Bericht / Fotos: Dieter Galm