Zu einer Vortragsveranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung im Heinrich-Köppler-Haus hatten die Europa-15Union Kreisverband Hammelburg und „Ehemalige, Hinterbliebene, Reservisten (ERH)“ im Deutschen Bundeswehrverband gemeinsam eingeladen. Das Gesellige ist bei diesen Treffen ein wichtiger Faktor. Das Vortragsthema an diesem Abend lautete: „Spionage im Spiegel der Geschichte. – Von Daniel Defou bis Günter Guillaume“. – Ein Rückblick auf einen Zeitraum von dreihundert Jahren.
Der Referent an diesem Abend war Thomas Lukow. Der Berliner und gefragte Stadtführer kennt dieses gefährlich-verschwiegene Metier der Nachrichtengewinnung und Weitergabe aus eigener Erfahrung. Er hatte ein aufmerksames und dankbares Publikum im Heinrich-Köppler-Haus.
Spionage, Gegenspionage, Ausspähung, Verrat, Abhören von Funksprüchen, Eindringen in Computer der Gegenseite, – unzählige und in der Neuzeit zunehmende Möglichkeiten um Informationen zu gewinnen um einem Gegner zu schaden. Das Wissen um Stärken und Schwächen eines Gegners verschafft enorme Vorteile, bei latenten Feindseligkeiten der konkurrierenden Staaten und Volkswirtschaften.
Überwachung missliebiger politischer Gruppierungen und Einzelpersonen durch Staatssicherheitsdienste ist auch in westlichen Demokratien ein verfassungskonformer Auftrag. Die Benennung mag sich ändern, das Ziel bleibt: Kontrolle. Gegnerische Absichten sind frühzeitig zu erkennen. Verdeckte Angriffe sind abzuwehren. Die eigenen Operationen so abzusichern, dass diese nicht enttarnt werden. Das verlangte früher wie heute eine effektive Organisation und setzt die Bereitstellung der Mittel voraus.
Nachrichtengewinnung ist für einen Staat zum eigenen Schutz unverzichtbar. „Bis zu 85 Prozent der Angehörigen einer Botschaft sind in die Nachrichtenbeschaffung eingebunden“, sagte Thomas Lukow.
Lukow nahm sich die spektakulären Fälle der Geschichte der Spionage vor. Die Akteure von damals gingen in die Zeitgeschichte ein. Dokumentationen, Filme, Romane, Vorträge die um Spionage kreisen, finden immer ihr Publikum.
Wer war Daniel Defou ? Aus dem Gefängnis heraus, in dem er wegen seiner Beteiligung an einem Aufstand gegen die englische Krone 1703 saß, wurde er als Spion für die Regierung geworben. Defou war Schriftsteller, Journalist und Kaufmann. „Was denken die Leute und wo sind die Gegner der Regierung zu finden?“. Ein typischer Auftrag. Nachrichtengewinnung für eine Regierung, die sich ihrer Sache nicht sicher fühlt und Unruhen fürchten muss.
Lukow erwähnte das Heer der Informanden und hauptberuflichen Stasi-Mitarbeiter in der ehemaligen DDR. „Dieser unverhältnismäßig hohe Aufwand, finanziell, materiell und personell, ist mit eine der Ursachen für die wirtschaftliche Misere der DDR und ihr Scheitern“, sagte der Referent.
Daniel Defou ist nicht als Spion, sondern mit seinem Abenteuerroman „Robinson Crusoe“ in Erinnerung geblieben. Die erpresserische Anwerbung eines Agenten ist ein probates Mittel. Defou hatte eine Frau und sechs Kinder.
Hinter jedem Agenten ein Schicksal. Die Motive sich der Ausspähung zur Verfügung zu stellen sind vielfältig. Eitelkeit, drückende Geldsorgen, Rachegefühle. Ferner politisch motivierte Überzeugungstäter und das Mittel der Erpressung. Langeweile und der gesuchte Nervenkitzel sind ebenfalls Motive und machen empfänglich.
„Bereits der französische König Ludwig XIV., ließ Mitte des 17. Jahrhundert einen effektiven Polizeistaat einrichten. Spitzeldienste, Briefkontrolle, Meldepflicht, Passkontrolle an den Grenzen, Überwachung der Mätressen am Hofe, alles im Dienste der Nachrichtengewinnung“, sagte Lukow.
Berühmt berüchtigt war Joseph Fouche´. Politiker, Polizeiminister in der Zeit der französischen Revolution, dann in der napoleonischen Kaiserzeit und nach dem Sturz Napoleons weiter im Amt. Ein Überlebenskünstler“.
Ein Beispiel für Industriespionage. Fischer von Gerlach, ein bekannter Baumeister im Spätbarock, seine Bauten sind in Wien zu bewundern, ging als junger Mann nach England, arbeitete als Bergmann in den Kohlegruben unter Tage. Dort studierte Fischer die Dampfmaschinen der Engländer. Ein damals modernes Verfahren. Dank der Aufzeichnungen von Fischer von Gerlach, konnte die Dampfmaschine auf dem Kontinent erfolgreich nachgebaut werden.
Lukow berichtet über die berühmte Dreyfus Affaire. Am Ende, Anfang des 20. Jahrhunderts brachte dieser Fall von Verleumdung Frankreich an den Rand einer Staatskrise. Ein französischer Generalstabsoffizier wurde der Spionage verdächtigt und angeklagt. Dreyfus wurde verurteilt. Die Anklage war haltlos.
Lukow glaubt, die Tatsache, dass Dreyfus jüdischer Herkunft und aus dem Elsass stammte, genügte um ihn zu inhaftieren und anzuklagen. Aus einer aus der Luft gegriffenen Behauptung wurde ein Skandal, der über Jahre die französische Öffentlichkeit beherrschte. Von 1894 bis zur Rehabilitation 1906 war Dreyfus festgehalten. Ein Beispiel, wie allein die Verleumdung ein Spion zu sein, einen Prozess in Gang setzt und einen Menschen ruiniert. Oft genügt ein Verdacht oder eine Vermutung dem Geheimdienst Menschen zu liquidieren. Berühmt-berüchtigt das zaristische Russland und nach dem Sturz des Zaren die Sowjetunion.
Der Fall Richard Sorge. Ein Meisterspion und Kommunist. Stalin wollte den aus der deutschen Botschaft in Japan heraus 1941 übermittelten Zeitpunkt des Angriffs Hitlers auf die Sowjetunion nicht glauben. Zwingend gebotene militärische Maßnahmen unterblieben. Dann, im selben Jahr die Nachricht, Japan wird die Sowjetunion nicht angreifen. Jetzt konnte Stalin die Verbände in Sibirien abziehen und in die Abwehrschlacht vor Moskau werfen. Die deutschen Truppen hatten sich bis fünfundzwanzig Kilometer vor Moskau vorgekämpft. Der deutsche Angriff wurde gestoppt.
Die letzte Spionagegeschichte die Lukow aufgriff, rankte um den DDR-Spion Günter Guillaume. Seine Enttarnung führte zum Rücktritt des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt im Jahre 1974.
Die Welt der Geheimdienste, verschwiegen, gefährlich, leidenschaftlich, intrigant, mal auch amourös, hält für die großen und die kleinen Fische nicht immer ein gutes Ende bereit. Spionage und ihr Umfeld, ein reizvolles Thema für den gesuchten Nervenkitzel. Dies erklärt auch den Erfolg der James-Bond-Filme.
Spionage heute ? Im Cyberspace und einer digitalen Spionage eine andere Dimension als noch zu Zeiten eines Daniel Defou, der als Schriftsteller sympathisch, uns „Robinson Crusoe“ hinterließ. Als Denunziant in England war er Täter und Opfer zugleich.
Guillaume wurde 1974 verhaftet und verurteilt. Mit Hinweis auf seinen Gesundheitszustand 1981 im Austausch aus der Haft entlassen. 1981 als „Kundschafter des Friedens“ in der DDR gefeiert. 1995 stirbt er an Herzversagen. Alles hat seine Zeit und ist vergänglich.
Dieter Galm