Die Europa-Union Hammelburg hat zu einem Vortragsabend mit Aussprache eingeladen. Referent war Dr. Herbert Trimbach, Ministerialdirigent, Verwaltungsjurist und Abteilungsleiter im Innenministerium des Landes Brandenburg. Er ist als Mitglied des zuständigen Arbeitskreises in der Innenministerkonferenz und damit nah an den Entscheidungsträgern in Deutschland und in der Europäischen Union. Ein ausgewiesener Experte mit unterfränkischen Wurzeln.

Dr. Trimbach sprach über „FRONTEX – zur Sicherung der europäischen Außengrenzen“. Eine Agentur der EU mit Sitz in Warschau. Diese Einrichtung trägt im Auftrag aller Schengen-Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Europas Grenzen offen und sicher bleiben können. Eine Art Frühwarnsystem für Brüssel. War es doch gerade die Freizügigkeit innerhalb Europas, geregelt im Schengen-Abkommen im Jahr 1995, welche die Gemeinschaft politisch einen gewaltigen Schritt nach vorn brachte. Die Zusammengehörigkeit wurde für 500 Millionen Europäer erlebbar. Freizügigkeit und offene Grenzen bergen Risiken.
FRONTEX ist ein unverzichtbares Instrument zur Nachrichtengewinnung für die EU und ihrer Mitgliedstaaten.
Eine Grenzpolizeitruppe der Europäischen Union? Dr. Trimbach verneinte diese Frage. FRONTEX und seine Bediensteten haben einen Beobachterstatus. Diese fachlich ausgebildeten Kräfte werden von Warschau aus an den Brennpunkten der europäischen Außengrenzen eingesetzt. Sie sind unbewaffnet. Sie sind die Augen der Europäischen Union an den Außengrenzen des Schengenraumes. In Warschau laufen die Fäden zusammen. Dort befindet sich die Zentrale von FRONTEX. Das Lagebild wird ständig aktualisiert.
Rund 12.000 Kilometer Land- und Küstengrenzen sind zu überwachen. Europa schützt den Schengen-Raum, das Herz Europas. Freier Waren- und Kapitalverkehr, Freizügigkeit, Rechtstaatlichkeit, Schutz der Menschenrechte, Asylrecht sind innerhalb der Union festgeschrieben. Das macht Europa aus, sind seine unverzichtbaren Werte.
Für den Juristen Dr. Trimbach sind es die gesetzlichen Grundlagen, also Verträge, Vereinbarungen und Abkommen, die von allen Regierungen und staatlichen Organen eingehalten werden müssen. So sieht er seinen Dienst im Innenministerium Brandenburgs.
FRONTEX ist noch keine polizeirechtlich legalisierte Einrichtung der EU. Das wird sich ändern, so Dr. Trimbach. Die Agentur wird personell aufgestockt und die Befugnis ihrer Mitarbeiter wird in Richtung eines europäischen Polizeirechts erweitert. Planungen dazu sind im Gange. Kommissionspräsident Claude Junker will im September konkrete Vorschläge dem EU-Parlament vorlegen. So die Ausführungen von Dr. Trimbach.
Wer sind die FRONTEX-Leute? Sie kommen aus Mitgliedstaaten die dem Schengen-Abkommen beigetreten sind. In aller Regel sind es Vertragsbedienstete aus dem Polizeidienst der entsendenden Mitgliedstaaten, die Europas Land- und Küstengrenzen schützen. Abkommandiert für einen wichtigen Dienst, der in seiner Bedeutung nicht im Bewusstsein der Bürger angekommen ist.
Das Meldesystem FRONTEX verhindert Straftaten. Unkontrollierte, illegale Masseneinwanderung, für die europäischen Regierungen Horrorvorstellungen, wird es nicht mehr geben. Wer denkt dabei nicht an den Herbst 2015, als Deutschland mit seinen Partner nicht abgestimmt, die Grenzen für Hunderttausende von Flüchtlingen ohne Erfassung der Ankömmlinge öffnete. Die Flüchtlingspolitik der EU in Brüssel und der Regierungsparteien in Berlin wird nicht von der Bevölkerung mitgetragen. Unversehens wechselte das Thema. Weg von FRONTEX, hin zur Flüchtlingspolitik.
Die Diskussion wurde lebhaft geführt. Die Bürger sind verunsichert. Meinungen, Ansichten, Ratlosigkeit. Warum dauern die Asylverfahren teilweise jahrelang? Warum gibt es Ankerzentren die im Kern inhuman sind? Warum werden abgelehnte Asylbewerber nicht sofort abgeschoben ? Warum wird überhaupt ein Asylverfahren nicht binnen einer Woche entschieden? Warum dürfen Asylbewerber nicht in Deutschland arbeiten ? Warum dürfen straffällig gewordene Migranten weiterhin bei uns bleiben? Was leistet die Entwicklungshilfe in Afrika ? Sind nicht alle Bemühungen von vornherein vergebens, weil die Probleme grundsätzlich nicht lösbar sind? Man denke an das ungeheure Wachstum der Bevölkerung in diesem Erdteil. Soll sich Europa gegenüber afrikanischen Flüchtlingen abschotten oder in begrenzter Zahl bei uns aufnehmen ? Soll Europa eine Festung sein ? Fragen über Fragen.
Immer wieder fiel der Satz: Die Probleme sind komplex. Jedes Mal klang es so, als wären diese nicht lösbar. Dr. Trimbach sprach von Prozessen die letztlich doch zum Richtigen führen und warb um Vertrauen. Die Teilnehmer machten geltend, dass weder Brüssel noch Berlin die Zeit seit Herbst 2015 nutzten ein europäisches Einwanderungsgesetz zu schaffen. Die Staaten selbst halten sich nicht an Vereinbarungen. Das Dublin-Abkommen wird unterlaufen. Italien schiebt Migranten nach Deutschland ab ohne die Asylanträge zu bearbeiten. Sankt Florians-Prinzip.
Ehrenvorsitzender Edgar Hirt meldete sich zu Wort und forderte die Ursachen der Migration aus Afrika zu beseitigen. Es müsse einen Marshall-Plan für Afrika geben. Der Arbeitskreis Politik und Gesellschaft wird sich dieses Themas annehmen.
Kreisvorsitzender Hans-Dieter Scherpf gab seine eigenen Erfahrungen und seine Einschätzung der für Deutschland schwierigen Lage weiter. Er dankte Dr. Trimbach für sein Kommen.
Dr. Trimbach seinerseits dankte den Teilnehmern für die wohltuend sachlich geführte Diskussion. Er sagte, in Brandenburg sind solche Aussprachen mit starken Emotionen aufgeladen. Die Europa-Union Hammelburg mit ihren Vortragsreihen schaffe immer wieder ein bürgernahes Forum für Europa.

Dieter Galm