Über aktuelle Krisenherde und die Rolle der Bundeswehr ging es bei einer Veranstaltung der Europa-Union zusammen mit der Grünen-Bundestagsabgeordneten Manuela Rottmann. Zu Gast war der Grünen-Politiker Tobias Lindner.
„Friedenspolitik in unfriedlichen Zeiten“ – bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Grünen-Bundestagsabgeordneten Manuela Rottmann und der Europa-Union Hammelburg im Gasthaus „Adler“ in Langendorf referierte zu diesem Thema der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner . Er ist Obmann seiner Partei im Verteidigungs- sowie Mitglied im Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages. Zu diesem komplexen Thema konnte er natürlich keine Antworten geben, die sich in einem Satz zusammenfassen lassen. Weltweit seien so viele Menschen auf der Flucht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Es gebe drei sehr brisante Krisenherde, den Mittleren Osten, Nordkorea und Indien/Pakistan. Die nichtstaatlichen Akteure in Konflikten, wie die Taliban oder der sogenannte Islamische Staat würden Lücken in der „politischen Werkzeugkiste“ offenbaren – „in der Uno sitzen die Taliban nicht mit am Tisch“.
Milliarden-Einsparungen
Der Cyberraum sei ein neues Feld für Konflikte, aber es gebe noch kein Instrumentarium dafür. Die Bundeswehr habe stürmische Zeiten hinter sich. Die vom früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg angestoßene Reform mit der Aussetzung der Wehrpflicht habe keine sicherheitspolitischen Gründe gehabt, sondern es sei um Milliarden-Einsparungen gegangen. „Auch in grünen Kreisen gab es die Illusion, dass eine Berufsarmee billiger sei“, räumte er ein. Die deshalb nötige gigantische Umstrukturierung habe die Bundeswehr bis heute nicht bewältigt. Als die Wehrpflicht abgeschafft wurde, habe es keine Pläne für die Berufsarmee gegeben. Die Bundeswehr habe 185 000 Stellen, von denen nur 179 000 besetzt seien – aber eine Erhöhung auf 202 002 sei geplant.
Bundespolizei und die Landespolizeien mit ihren besseren Bedingungen seien jedoch starke Konkurrenten. Ausführlich ging Lindner auf die Auslandseinsätze ein. Der dadurch entstandene Stress und die Belastungen hätten die Bundeswehr deutlich an ihre Grenzen geführt. „Die schlechte Prozentzahl beim funktionierenden Material liegt mehr an den neuen Systemen, nicht an den alten. Das neue Material ist zu kompliziert“, betonte er, und „Auftrag, Personal und Material der Bundeswehr passen nicht zusammen“.
Diskussionsrunde
Er forderte, dass in den Mandaten für Auslandseinsätze immer der exakte Auftrag festgeschrieben werde. „Ich hätte nie gedacht, dass die Mandate so lapidar begründet werden, immer der gleiche Text“, ergänzte Manuela Rottmann. Eine Gesamtstrategie zusammen mit dem Entwicklungshilfeministerium sei bei Auslandseinsätzen nötig, denn „die Bundeswehr kann im Ausland keinen Frieden schaffen, aber den Rahmen dafür“, so Lindner. Manuela Rottmann moderierte die anschließende ausführlich Diskussion.
„Mich stört, dass wir immer über Militär reden, das ist der falsche Ansatz. Wir sollten erst mal anderen politischen Druck machen, bevor wir unseren kaputten Puma einsetzen“, forderte einer der Gäste. Lange wurde über die Beraterverträge im Verteidigungsministerium diskutiert. Viele seien ohne Ausschreibung und rechtswidrig vergeben worden, kritisierte Tobias Lindner.
Berater hätten für sich Titel erfunden oder versucht, Generälen Befehle zu erteilen. „Das gibt es, dass man mal von außen Hilfe holt“, räumte er ein. Doch manche Berater seien in Wirklichkeit Zeitarbeiter gewesen und hätten für sehr viel Geld Dauerarbeiten übernommen, da Personal fehle. Dies müsse unterbunden werden und Berater dürften keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen. Hinter zwei Drittel der Aufträge setzt er „große Fragezeichen“. Manuela Rottmann gab den zahlreichen Zuhörern mit, „es gibt viele Ministerien, die als Sprungbrett nur kurz besetzt sind. Es gibt politisches Personal, das sich vollschwätzen lässt. Seien Sie skeptisch gegenüber Ministern, die ständig mit tollen Fotos in der Zeitung sind und bei Instagram“.
Ganz zum Schluss überreichte Dieter Galm, der Vorsitzende des Arbeitskreises Politik und Gesellschaft in der Europa-Union Hammelburg, dem Referenten einen Bocksbeutel zum Dank für seine Ausführungen.
Bericht: Dieter Britz Main-Post, Fotos: Ernst Deier