In seinem Referat gab Reinhard Schaupp einen Überblick zur Entwicklungsgeschichte der EU und die verschiedenen europäischen Institutionen. Die Gemeinschaft, entsprechend ihrem Leitmotiv in „Vielfalt geeint“, sei zwar deutlich mehr als ein Staatenbund, aber noch sehr weit entfernt von einem föderalen Bundesstaat. Das deutsche Bundesverfassungsgericht prägte für das supranationale Gebilde den treffenden Begriff eines „Staatenverbundes“. Grundsatzfragen wie die nach der Zukunft der Nationalstaaten in einem vereinten Europa und nach dem Endergebnis des Einigungsprozesses bleiben unbeantwortet und werden von den europäischen Staaten und den Bürgerinnen und Bürgern unterschiedlich gesehen.

Mit Blick auf Staaten, wie Polen und Ungarn stellte Schaupp fest, dass die Europäische Union „nicht mehr automatisch ein Garant für eine liberale Demokratie“ in ihren Mitgliedsländern ist. In einigen Ländern seien die Unabhängigkeit der Justiz, die Gewaltenteilung und die Freiheit der Medien nicht nur bedroht, sondern bereits abgebaut worden. Wesentliche Kennzeichen von Nationalpopulisten seien die Tatsachen, dass sie sich gerne als Retter der Demokratie präsentieren, behaupten eine „schweigende Mehrheit“ der Bevölkerung zu vertreten, polarisieren indem sie innerstaatliche Konflikte verschärfen und gleichzeitig unterstellen, die „herrschende Eliten“ und die „Altparteien“ handeln gegen die Interessen des Volkes.

Eine immer engere und immer größere Union ist aus Sicht des Referenten nur dann möglich, wenn in einer europäischen Verfassung Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundprinzipien stärker sanktioniert werden können, Mehrheitsentscheidungen in den europäischen Gremien das Einstimmigkeitsprinzip ersetzen und eine gemeinsame europäische Identität geschaffen wird, die soziale, regionale, nationale Identitäten nicht ersetzt, sondern ergänzt und somit ein „stabiles Integrationsfundament“ ermöglicht.  „Europa braucht eine neue Vision, die seine Widerstands- und Wettbewerbsfähigkeit erhöht und die Demokratie auf diesem Kontinent nachhaltig sichert“, so die Schlussworte des Referenten.

Bericht: Wilfried Vogler; Foto: Claudia Beyerle