Am Dienstag, den 17. September 2019, hatte der Kreisverband Bad Tölz – Wolfratshausen Herrn Ralf Knobloch zu Gast. Dieser analysierte im Posthotel Kolberbräu in Bad Tölz das Ergebnis der Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai dieses Jahres. Herr Knobloch ist seit 2017 als politischer Referent der Europäischen Akademie Bayern tätig. Er ist Experte für den Vergleich europäischer Demokratien und fühlt sich als Europäer auch durch seinen österreichischen Vater und seine französische Mutter.
Bei der Begrüßung wies der Vorsitzende des Kreisverbands, Herr Alexander Lippert, auf die erfreulich gestiegene Wahlbeteiligung bei der Europawahl hin, im Landkreis sogar überdurchschnittlich um 20%. Damit sei ein langfristiger Trend zu immer geringerer Teilnahme gestoppt. Im Ergebnis sieht er ein Votum für eine Idee der Stärkung Europas. Leider sei dieses von einer Zunahme der populistischen Fraktion begleitet.
Die nach der Wahl stattgefundene Diskussion um die Spitzenkandidaten betrachtet er als Ausdruck einer schlechten Abstimmung zwischen Rat und Parlament.
Herr Knobloch begann seinen Vortrag mit der Frage, wer sich durch den Ablauf bei der Wahl der Kommissionspräsidentin verschaukelt fühle. Für etliche Anwesende traf dies zu. Herr Knobloch wies aber darauf hin, dass der Vorgang voll in Einklang mit der gesetzlichen Regelung stattgefunden hat: Der Rat schlägt mit qualifizierter Mehrheit dem Parlament eine Person für das Amt des Kommissionspräsidenten vor. Dieses muss zustimmen. So war der Ablauf auch diesmal.
Durch einen Vergleich mit den entsprechenden Regeln in unterschiedlichen europäischen Staaten machte Herr Knobloch deutlich, warum in Deutschland der Prozess teilweise auf Unverständnis stieß. Die Vorstellung der „Spitzenkandidaten“ war irreführend, da die betroffenen Personen nur in ihren jeweiligen Regionen zu wählen waren, zudem in den EU-Verträgen davon nichts von solchen Kandidaten zu finden ist.
Frau Von der Leyen will sich als neue Kommissionspräsidentin dafür einsetzen, dass vor der nächsten Wahl die Abläufe geklärt werden.
Nun muss eine neue Kommission zusammengesetzt werden, was nicht einfach sein wird. Sehr erfreulich ist jedoch, dass die Europagegner den befürchteten Erdrutschsieg nicht erreichen konnten.
In der Folge beschäftigte sich Herr Knobloch mit einigen aktuellen Problemen Europas:
- das Flüchtlingsproblem ist noch ungelöst,
- es gibt verschiedene Auffassungen von der Zielsetzung der europäischen Entwicklung,
- die Vorgänge um den Brexit belasten die Union erheblich (Deutschland verliert durch den Austritt der Briten einen ähnlich denkenden Partner),
- das Grundrecht der freien Meinungsäußerung wird zunehmend missbraucht,
- die Populisten gewinnen in vielen europäischen Staaten immer größeres Gewicht.
In der lebhaften Diskussion wurde gerade der letzte Punkt aufgenommen: Herr Göbel, Ehrenvorsitzender unseres Kreisverbands, stellte die Frage, wie wir Europa besser „verkaufen“ können. „Wir brauchen eine positive emotionale Haltung Europa gegenüber und dürfen dieses nicht den Populisten überlassen“, führte er aus.
Herr Lippert dankte Herrn Knobloch für seine informativen und anregenden Ausführungen. Er bedauerte, dass derzeit die Idee eines europäischen Staates im Argen liegt. Er äußerte aber die Hoffnung auf eine Weiterführung des Einigungsprozesses und begründete dies damit, dass der Brexit nicht auf andere Staaten abgefärbt habe. Die demokratische Mehrheit in Europa hat Interesse, dass das einige Europa überlebt.
Hier eine äußerst empfehlenswerte Internetadresse zur Bedeutung Europas für die Regionen:
www.what-europe-does-for-me.eu