America First – Europa unter Druck
In diesem Jahr fand der Jahresempfang der Europa-Union München und der Jungen Europäischen Föderalisten beim Unternehmen für Sicherheitstechnologie Giesecke+Devrient in München statt. Hauptredner war der Deutsche Militärische Vertreter bei der NATO und der EU, Generalleutnant Wolfgang Wien.

Der Vorsitzende der Europa-Union München, Rechtsanwalt Stavros Kostantinidis, hob in seiner Einleitung hervor, dass der transatlantische Schulterschluss nicht mehr selbstverständlich sei. Europa müsse in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen. „Wir müssen unsere Werte wahren, ohne weltfremd zu sein“, sagte Kostantinidis.

„Russland gibt uns nicht die Zeit“

„Wir sind an einem Wendepunkt in der Geschichte“, führte Generalleutnant Wolfgang Wien aus. Er berichtete von dem kurz zuvor stattgefundenen NATO-Gipfel in Den Haag und ging auf das Verhältnis von NATO und EU ein: Ohne NATO keine EU und ohne EU ist die NATO nicht verteidigungsbereit, sagte er. Alle Überlegungen für eine europäische Armee findet Wien nachvollziehbar, aber „Russland gibt uns nicht die Zeit“.

Wien setzt sich für eine verstärkte NATO/EU-Kooperation und eine strategische Neuausrichtung Europas ein. Er wies auch auf die Bedeutung von Investitionen in digitale Technologien hin. „Wir sollten ein bisschen bösgläubiger werden“, denn Russland bereite sich auf einen Krieg vor, auch China bereite sich auf einen Konflikt vor.

Mit Blick auf das Sondervermögen und die Finanzierung der Bundeswehr sagte Wien: „Wenn ich Geld vor Kasernen werfe, habe ich noch kein passendes Personal“. Es würden sich auch keine Warteschlangen vor den Kasernen bilden. Er gab zu bedenken, dass wir genügend Freiwillige haben müssten.

Schutz macht ärmer

„Die USA können uns leicht unter Druck setzen“, sagte Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts. Die Abhängigkeit von China werde dagegen überschätzt. Mit Blick auf die NATO sei eine Hauptsorge von ihm, dass eine Reihe von Demokratien in der NATO für die Neuaufstellung von Ressourcen ein Hindernis darstellen könnte. Gehen wir überhaupt diesen Weg?, laute dort oft die Frage. Denn durch den Schutz vor Bedrohungen werde man ärmer. Spanien ziehe zum Beispiel nicht so mit, da Russland weit weg sei. Wenn man Rüstung durch Schulden finanziert, habe das auch Auswirkungen auf andere Bereiche, zum Beispiel durch entstehende höhere Zinsen.

Europa nutzt Trümpfe nicht

Ralf Wintergerst ist der Vorsitzende der Geschäftsführung von Giesecke+Devrient sowie Präsident des Digitalverbands Bitkom. „Europa nutzt seine Trümpfe nicht“, sagte er. Wir seien von den USA technologisch abhängig. Doch mittlerweile wachse in Deutschland die Digitalindustrie. Wir müssten eine Aufbruchstimmung schaffen. Mit Staatsgeld könne nicht alles bezahlt werden, es brauche auch private Finanzierung.

(Bericht von Gero Kellermann, 25.06.2025)

Credits für alle untenstehenden Fotos: Loredana La Rocca