Podiumsdiskussion, am 20.2.2018 in der IHK München und Oberbayern
veranstaltet von der IHK München und Oberbayern gemeinsam mit der Europa-Union München

 

 

Angesichts der großen Herausforderungen in Europa und der Welt sowie auf Grundlage der Ideen
von Juncker und Macron zur möglichen Reform der Europäischen Union sollte an diesem Abend
erörtert werden, in welche Richtung, auch aus wirtschaftlicher Sicht, die EU sich entwickeln
könnte.

Alexander Lau, Stv. Bereichsleiter IHK München und Oberbayern und Stavros Konstantinidis,
Vorsitzender Europa-Union München e.V. begrüßten zunächst die Anwesenden im Saal und auf
dem Podium. Dort diskutierten Cécile Prinzbach, Vorstandsmitglied der Europa-Union München,
Etienne Oudot de Dainville, Leiter der Finanz- und Wirtschaftsabteilung, Französische Botschaft in
Deutschland und Dr. Erdal Yalcin, Stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft.
Die Moderation übernahmen Petra Henke und Kristina Mader, Länder-Referentinnen
Außenwirtschaft IHK München und Oberbayern.

Die grundlegenden Prinzipien, auf denen Macrons Vorstellungen basieren, fasst zunächst Oudot de
Dainville zusammen:

1)  Wir in Europa sind zusammen stärker als alleine, um die großen Aufgaben
zu bewältigen.

2)  Gemeinsam können wir auch unsere Werte (auf internationaler Ebene) besser
verteidigen.

3)  Wie schon Delors formulierte, wir brauchen Wettbewerb, Kooperation und
Solidarität.

Yalcin begrüßt es sehr, dass „Frankreich aus dem Koma erwacht“ sei. Ohne die FranzösischDeutsche Zusammenarbeit gäbe es keinen Fortschritt in der EU. Allerdings sei er skeptisch wegen
der Kommunikation aus Frankreich. Er befürchtet, dass Macron (in der Bevölkerung) zu große
Erwartungen wecke. Neuerungen, die die EU insgesamt weiterbringen sollten, führten teils zu
individuellen Nachteilen oder späteren Fehlentwicklungen und könnten dann insgesamt dem EUProjekt schaden. Zudem müsse der zeitliche Kontext beachtet werden. Denn wenn die Bevölkerung
– wie in Polen – eher die nationale Souveränität stärken wolle, könnten Visionen für die EU
gefährlich sein.

Prinzbach unterstreicht, dass Macron eine Diskussionsunterlage eingebracht habe, die bewusst
offen formuliert sei für den Input der anderen Mitgliedsländer. Deshalb gebe es auch – wie von
manchen behauptet- keine französisch-deutsche Dominanz.

Oudot de Dainville hält das Modell der verschiedenen Geschwindigkeiten für möglich. Dies müsse
immer offen für andere sein. Aber wer voran gehen wolle, solle nicht behindert werden können.
Wichtig sei es auch, mit allen Regierungen zu sprechen. So sei Macron 2017 in alle Länder im Osten
der EU gereist und habe u.a. um Unterstützung für die Entsenderichtlinie geworben – erfolgreich.
Die Frage, ob die EU-Organe mehr Kompetenz haben sollten im Außenverhältnis wegen des
einheitlichen Auftretens in der Welt bejahte Yalcin „in Theorie“ und auch für das Setzen von
Standards.

Allerdings sei zu klären, was „mehr Kompetenz“ bedeute. Die Kompetenzen müssten in
den Verträgen noch klarer oder enger eingegrenzt werden. Prinzbach möchte mehr Kompetenzen
für das Parlament und plädiert für mehr Transparenz bei Kommission und Rat.
Eine „Vergemeinschaftung von Altschulden“ oder eine gemeinschaftlich finanzierte Arbeitslosenversicherung habe Macron nie gefordert, so Prinzbach.

Leider sei diese Falschmeldung immer noch
in den deutschen Medien zu lesen.

Die Wirtschaftsreformen sind für Oudot de Dainville gut für Frankreich und die EU. Das neue
Arbeitsrecht, seit 1.1. in Kraft, biete größere Flexibilität. Weitere Reformen würden gerade im Detail
verhandelt mit den Sozialpartnern. Auch um den Abbau der Bürokratie im Zusammenhang mit der
Arbeitnehmer-Freizügigkeit kümmere man sich gerade.

Fragen aus dem Publikum führten zu einer lebhaften Diskussion, die sich im Wesentlichen auf zwei
Fragestellungen konzentrierte:

Wie soll die EU auf die Bedrohung von Demokratie und Meinungsfreiheit in einigen Mitgliedsländern reagieren?

Finanzielle Sanktionen oder Stimmrechtsentzug sind denkbar. Allerdings weiß man aus der
Unternehmenswelt, dass durch Druck Menschen nicht motiviert werden können. Visionen sind
besser geeignet, Leute mitzunehmen. Auch Staaten lassen sich nicht durch finanzielle Sanktionen
motivieren, wie das ökonomisch irrationale Verhalten in Polen und UK zeigt.
Wirksamer könnten vielleicht finanzielle Anreize sein, die an Bedingungen geknüpft werden.

Auf welche Weise kann wieder eine stärkere Zustimmung der Bürger zur EU erreicht werden?

Durch eine flexiblere EU? Auch Macron tritt z.B. ein für mehrere Geschwindigkeiten. Aber die EU
kann sich keine Flexibilität bei den Grundwerten und der Rechtsstaatlichkeit erlauben. Die
Mitgliedsstaaten müssen sich an die von ihnen unterschriebenen Verträge halten.

Vielleicht ist die EU mit der Freizügigkeit zu weit gegangen und sollte diesbezüglich die Verträge
ändern? (Yalcin) Aber deren Aufgabe würde den Binnenmarkt gefährden. (Oudot de Dainville.)
Einem anderen Weg könnte vielleicht die im November in Göteborg proklamierte „Europäische
Säule sozialer Rechte“ weisen. (Prinzbach)

Auch wenn in manchen Bereichen Vertragsänderungen sinnvoll erscheinen (z.B. „der LissabonVertrag ist unvollständig“, Yalcin): Die EU (mittels der nationalen Regierungen) blockiert sich selbst.
Vertragsänderungen wird es deshalb wohl in absehbarer Zeit nicht geben.

Wie kann man gegen Populisten ankommen? Europa sollte in der Schule und vielleicht schon im
Kindergarten eine Rolle spielen, wird aus dem Publikum vorgeschlagen.
Wir brauchen mehr öffentlichen Diskurs, Veranstaltungen wie diese.

Austauschprogramme und Städtepartnerschaften sollten unterstützt und erweitert werden, um Werte zu transportieren.

„Wir sind alle in der Verantwortung.“ (Prinzbach)

 

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Bericht zur Podiumsdiskussion “Wirtschaftsdialog Europa – Die Zukunft der EU aus deutsch-französischer Sicht”

INFO: PDF, 198.85 KB
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