Am 27.05.2020 diskutierten hierzu auf Einladung der Südosteuropa-Gesellschaft und der Europa-Union
München: Anja Quiring, Regionaldirektorin Südosteuropa, Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen
Wirtschaft e.V.; Manuel Sarrazin, MdB, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und dem Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union, Bündnis90/Die Grünen und Keno Verseck, Freier Journalist und
Autor, Spiegel. Moderator war Christian Hagemann, Stellv. Geschäftsführer der Südosteuropa-Gesellschaft.
Die EU-Erweiterung um die verbliebenen ehemals kommunistisch regierten Länder (die Westbalkan-Länder)
wird als sehr wichtig eingeschätzt, besonders aus geopolitischen Gründen angesichts des russischen und
chinesischen Engagements in der Region.
Der Erweiterungsprozess steckt jedoch schon seit Jahren in der Sackgasse. Inzwischen haben die
Zustimmungsraten in allen Ländern abgenommen. Die Glaubwürdigkeit der EU habe bei der Bevölkerung
gelitten, so die Experten. Nicht wenige glaubten, die Union meine „es nicht mehr ernst“ und EU-Politiker
„kungeln mit lokalen Herrschern“. Auch Deutschland zeige derzeit einen geringen Einsatz als „Anwalt der
Beitrittsländer“. Allerdings müsste man sich angesichts mancher lokaler korrupter Politiker auch klarmachen,
„dass es noch dauert“ und vielleicht, „eine neue Politiker-Generation nötig“ sei, um voranzukommen.
Die EU müsste mehr tun, „sich einmischen“, z.B. gegen separatistische Absichten, und mehr darauf achten,
dass die Regeln eingehalten werden. Hilfreich sein könnte auch ein öffentlichkeitswirksamer Auftritt vor Ort
von Bundeskanzlerin Merkel.
Für viele Bürger der Region sei die EU weiterhin ein Vorbild bezügl. Berechenbarkeit , Chancengleichheit,
guter Lebensperspektiven. Mit ihrem „Lebensgefühl“ seien die Menschen „natürliche Verbündete“ vor Ort.
Verbindend wirkten auch der schon existierende intensive Warenaustausch mit der EU, viele regionale
Kooperationen und zahlreiche in unterschiedliche EU-Länder Ausgewanderte. Negativ wurde angemerkt,
dass Fachkräfte aus der Region in die EU abwandern und daher lokal fehlen.
Neben den offiziellen Regierungskontakten gebe es zahlreiche Kontakte seitens politischer Stiftungen sowie –
teils „hinter den Kulissen“ – auch unter Politikern. Die EU müsste jedoch einerseits mit einer deutlich
verbesserten PR aufzeigen, was sie für die Region schon alles geleistet hat. Andererseits sei auch wichtig
dass EU-Politiker ihren Bürgern die Bedeutung der Westbalkan-Region für unser aller Zukunft deutlich
machten.
Als positive Entwicklungen aus jüngster Zeit wurden hervorgehoben: Der EU-Beschluss vom März zur
Aufnahme von Erweiterungsgesprächen mit Albanien und Nord Mazedonien sowie die EU-UnterstützungsHilfe in Höhe von 3,3 Milliarden für die Staaten der Region bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen
der Corona-Krise.
Die Veranstaltung war Teil des Münchener Europa-Mai, der gemeinsam von der Landeshauptstadt München,
den Münchner Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der
Europa Union München organisiert wurde.