Obwohl eigentlich der 22.02.22 ein historisches Datum zu werden versprach, können wir heute froh sein, dass er nicht der Tag der Invasion Russlands in die gesamte Ukraine geworden ist. Mit der Ankündigung vom 21.02.22 läuft allerdings Russlands Staatschef Putin Gefahr Geschichte zu schreiben. Noch liegt es in seiner Hand, ob ruhmreich in die Geschichte eingehen will oder als der größenwahnsinnige Vollpfosten, der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nun auch noch das Ende der zivilisierten Welt in den ehemaligen Staaten der UdSSR einführte. Für uns als Deutsche stellt sich zudem die Frage, wie sich ein ehemaliger Bundeskanzler, der sich im Einsatz für den Frieden und gegen den Irak-Krieg verdient gemacht hat – nun bei einem ebenso völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine verhalten würde. Und für uns als Augsburger wächst auch die Angst, was mit den Freunden aus der Bukowina geschieht.

Ja es stimmt. Mit dem Zusammenbruch der UdSSR ist Macht und Einfluss Russlands kleiner geworden. Und es stimmt auch, dass sich zahlreiche Länder dem Westen zugewandt haben. Es ist auch richtig, dass es unverbindliche Zusagen des Westens gab, die NATO nicht weiter nach Osten auszuweiten. Der entscheidende Punkt dabei ist: Es gab keine Militärübungen mit denen Polen, Estland, Litauen und Lettland, Bulgarien und Rumänien von der NATO umzingelt wurden oder deren Staatschefs versucht worden sind zu Ermorden. Diese Länder haben in freier Entscheidung und demokratischen Wahlen ihren eigenen Weg bestimmt. Und genau darum geht es uns. Das sind Werte, die für uns unverzichtbar sind – und zu Zeiten Gorbatschows auch eine Bedeutung für Russland hatten.  Und die offenbar Putin für verzichtbar oder gar bekämpfenswert gelten.

Der Zusammenbruch der UdSSR erfolgte auch nicht, weil der Westen diese unter fadenscheinigen Vorwänden besetzte oder Russland seine Daseinsberechtigung absprach. Er geschah, weil die Menschen dort das eigene System nicht mehr ertragen hatten. Unsere Demokratie ist sicher auch nicht perfekt. Es gibt Ungerechtigkeiten allenthalben. Aber jeder darf sich hier für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Es war die Unterdrückung der Menschen, die das System der UdSSR ins Wanken brachte, weil freie Kräfte schlicht mehr bewirken können. Warum aber glaubt Russland nun nach dem Zusammenbruch der UdSSR mit weniger Fläche, mit weniger Einwohnern und mit weniger Kraft nun einen erneuten Versuch wagen zu müssen, um der Welt zu zeigen, wie grandios ein Land scheitern kann, wenn es nur totalitär genug geführt wird? Sehr geehrter Herr Putin: Denken Sie doch einfach mal nach, wie das beim letzten Mal endete? Immer mehr Russische Bürgerinnen und Bürger werden Not leiden, immer weniger ein lebenswertes Leben haben. Wollen Sie die alle wie Navalny dann einsperren, falls es mit dem Umbringen nicht geklappt hat? Soll das ein Zukunftskonzept sein? Für wen? Schauen sie sich Lenins Mumie an. Der hatte eine große Idee, indem er etwas neues schaffen wollte. Er hat aber dabei nicht Vorbilder in überholten Vergangenheiten gesucht, sondern etwas neues gewagt.

Sie hingegen, wollen einen anderen Blick auf ein Russland im Jahr 1917 richten. Eine Zeit, in der die Ukraine aus Ihrer Sicht kein eigenständiges Land war und die Ukrainer deshalb auch schlicht Russen seien. Weshalb wollen Sie dann ihr eigenes Volk bekriegen? Weshalb wollen Sie unzähliges Leid über Menschen bringen, die in der Ukraine einen frei gewählten Präsidenten, ein frei gewähltes Parlament und in Kiew mit Vladimir Klitschko einen frei gewählten Bürgermeister haben? Und was sagt diese selektive Geschichtswahrnehmung über Sie aus?

Ein Europa in den Grenzen von 1917: Das ist eine Zeit, als Südtirol Teil Österreich Ungarns war, Elsass Lothringen, Eupen und Malmedy, weite Teile Polens und selbst Teile des heutigen Russlands deutsch waren. Polen würde genauso wenig existieren wie die baltischen Staaten, Lettland, Estland und Litauen sowie Finland. Das osmanische Reich würde noch bis Albanien gehen. Wer dahin zurück will, der hat nicht die Zukunft im Blick sondern träumt davon alte Zeiten herzustellen, die Geschichte sind und soweit wir die Menschheit auf dem Planeten nicht ins Verderben führen wollen auch Geschichte bleiben sollten.

Und wenn Sie sich schon an Geschichte erinnern, dann ist Ihnen auch bekannt, dass Kiew lange vor Moskau größte Bedeutung hatte. Die Ukrainer haben aber nicht gefordert deshalb in Russland einzumarschieren oder deren Präsidenten vergiften zu wollen. Sie möchten einfach als souveränes Land über ihr eigenes Schicksal bestimmen. Und auch wenn es Sie schmerzen mag – das ist bereits seit mehr als einer Generation so. Wachen Sie auf! Sie sind es, der das Minsker Abkommen nach der einseitigen Annektion der Krim unterschrieben hatte. Und Sie sind es, der seine eigene Unterschrift unter dieses Abkommen setzte. Ist das Ihre Vision für die Zukunft? Das Verträge egal sind? Dass Russland überall dort einmarschieren darf, wo der Staatschef meint, so solle es sein?

Wir Deutschen haben Erfahrungen darin, wie es ist, sich Teile anderer Länder einzuverleiben. Bei uns begann das mit Teilen Tschechiens. Wir wissen auch wie es ist, in andere Länder einzumarschieren. Wir kennen fadenscheinige Begründungen, mit denen wir den II. Weltkrieg angezettelt haben. Weil wird Deutschen und zu wichtig nahmen und der Welt unseren Stempel aufdrücken wollten. Wir haben aus dem II. Weltkrieg die Lehre gezogen, dass es nie wieder Krieg in Europa geben solle. Vielleicht denken Sie einfach mal darüber nach, wie das ganze für Deutschland endete. Deutschland hat zig Millionen Kriegstote, Vertriebene und unendliches Leid zu verantworten und die ganze Welt ins Unheil gestürzt – darunter auch Millionen Russen, die allesamt sicher ein besseres und längeres Leben verdient gehabt hätten als wegen Großmachtgelüsten eines durch-geknallten Führers zu sterben. Am Ende hatte Deutschland rießige Gebietsverluste und der Rest wurde geteilt in zwei Staaten. Es ist Russland zu verdanken, dass es sich in freier Selbstbestimmung wieder zu vereinen. Dazu brauchte es keine Armeen, dazu brauchte es keinen Druck und schon gar keinen Krieg im eigenen Land. Lassen Sie die Russen und die Ukrainer auch ihr Schicksal selbst bestimmen. Ohne Druck und ohne Aggression und schon gar nicht durch einen ins Verderben führende Krieg. Der löst nur unvorstellbares Leid aus. Und falls Sie immer noch nicht aufgewacht sind: Hitler führte nicht nur das Land und die Menschen in den Abgrund. Es besiegelte auch seinen eigenen Tod durch sein Regime aus Angst und Schrecken. Machen Sie es anders. Bleiben Sie friedlich.

Seien Sie ein echter Führer auf der Höhe der Zeit: Helfen Sie der Menschheit zu überleben, nicht dem angeblich eigenen Volk sich selbst umzubringen. Lassen Sie die Ukrainer und die Russen gemeinsam feiern anstatt aufeinander zu feuern.