Zur jüngsten Runde der Veranstaltungsreihe JEF-Talk wurde der Vorsitzende der Europa-Union Aschaffenburg Dieter Schornick als Experte zum Thema Rechtsstaatlichkeit eingeladen. Ein JEF-Talk findet an jedem letzten Dienstag im Monat statt und wird von JEF-Bayern organisiert.
Dieter Schornick stellte das Thema zunächst vor und diskutierte es anschließend ausführlich mit vierzehn interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich in die Online-Runde eingewählt hatten.

Einleitend verwies Dieter Schornick auf Art. 2 des EU-Vertrages, in dem die folgenden sechs Werte definiert werden, die von allen EU-Mitgliedstaaten einzuhalten sind: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte. [s. auch GRAFIK – Link dazu am Ende des Textes]
Zusammen mit dem „Langfristigen EU-Haushalt (MFR)“ für die Jahre 2021 bis 2027 (1.074 Mrd. €) wurde von den 27 Staats- und Regierungs-Chefs der EU-Mitgliedstaaten auch das „Wiederaufbauinstrument Next Generation EU 2021 bis 2026 mit einem Betrag von 750 Mrd. € verabschiedet. Erstmals kann die Zahlung dieser EU-Gelder ausgesetzt werden, wenn Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, die in enger Verbindung mit dem EU-Budget stehen, nicht eingehalten werden.
Die EU hat jetzt einen „Rechtsstaatlichkeitsmechanismus“, den sie auch nutzen wird. Die Auszahlung von EU-Geldern kann EU-Mitgliedsstaaten verweigert werden, in denen „nachgewiesene Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit die Verwaltung der EU-Gelder gefährden“. Diese neuen Befugnisse treten am 01.01.2021 in Kraft. Bevor allerdings Länder wie Ungarn und Polen sanktioniert werden können, muss ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, das Inkrafttreten des Mechanismus vor dem Europäischen Gerichtshof anzufechten. Aufgabe der Europäischen Kommission ist es, jetzt, schnellstens Verfahren beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gegen die Länder einzuleiten, die gegen Rechtsstaatlichkeits-Prinzipien verstoßen.
Mit der MITTEILUNG DER KOMMISSION – COM(2020) 580 final – vom 30.09.2020 „Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020. Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“ wurden die Untersuchungsergebnisse der Europäischen Kommission in allen 27 EU-Mitgliedstaaten erstmals präsentiert. Das Konzept beruht auf einem engen Dialog mit den nationalen Behörden und Interessenträgern, wodurch Transparenz erreicht werden soll und alle Mitgliedstaaten objektiv und unparteiisch einbezogen werden. Dies wird jährlich in einem Bericht über die Rechtsstaatlichkeit zusammengefasst, der auch eine Bewertung der einzelnen Mitgliedstaaten in 27 Länderkapiteln umfasst. Durch diesen Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit werden andere EU-Instrumente gestärkt und ergänzt, mit denen die Mitgliedstaaten ermutigt werden, Strukturreformen in den in ihren Anwendungsbereich fallenden Politikfeldern durchzuführen. Dazu zählt jetzt auch das Instrument „Next Generation EU“.
Die Bewertung der Rechtsstaatlichkeit basiert auf folgenden vier Kriterien:
1. Unabhängiges Justizsystem
2. Effektive Korruptionsbekämpfung
3. Medienpluralismus und Medienfreiheit
4. Institutionelle Kontrolle und Gegenkontrolle
Dieter Schornick stellte zudem die zum Jahresende 2020 in Luxemburg etablierte neue Europäische Staatsanwaltschaft („EUStA“) vor. Sie ist eine neue Einrichtung der EU, die für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen in Bezug auf gegen den EU-Haushalt gerichtete Straftaten zuständig ist. Sie soll die Fähigkeit der Union stärken, das Geld der Steuerzahler besser zu schützen. Bereits 2017 haben gegen den EU-Haushalt gerichtete Betrugsfälle einen Schaden von ca. 500 Mio. € verursacht!
In der Diskussion wurde hervorgehoben, dass gerade in den Ländern der EU, die gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen, die Medien vor Ort einen besonders großen Einfluss auf die dortige Bevölkerung haben, den Kurs Ihrer Regierungen weiter zu unterstützen.
Abschließend waren sich alle Teilnehmer des Talks einig, dass wir gerade als Mitglieder der Jungen Europäischen Föderalisten und der Europa-Union unsere Möglichkeiten stärker nutzen müssen, um die Rechtsstaatlichkeit in allen 27 EU-Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
Dieter Schornick beendete seine Ausführungen mit einem Zitat von Walter Hallstein, dem ersten Präsidenten der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1958–1967): „Wer in der EWG nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist“. Er bedankte sich bei Yannick Stiller, dem Vorstandsmitglied der JEF-Bayern, für die hervorragende Moderation der Veranstaltung.

[Grafik veröffentlicht von Europäische Bewegung Deutschland [EBD], deren Mitglied die Europa-Union ist]

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